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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nur an die table d'hôte eines Gasthofes, so wird man genug solcher Bären schlürfen und schmatzen hören.
    Petz war wirklich ein Feinschmecker. Er zerkrachte zur Abwechslung dann und wann eine Röhre, und wir hörten ihn ganz deutlich das Mark aus derselben ziehen.
    Jetzt trat eine Pause ein. Er brummte behaglich – er schlug die Tatzen in das Fleisch, jedenfalls um sich durch das Tastgefühl von der verschiedenen Güte der einzelnen Stücke zu überzeugen. Dann richtete er sich empor.
    Bevor er zum Festsitzen kam, ließ er sich einige Male wieder niederfallen. Der Indianer sagt, wenn der Bär sich während einer solchen Zwischenpause aufrichtet: „Er horcht in den Magen hinab.“ Der Augenblick dieses Horchens ist der geeignetste zum Schuß. Ich legte an.
    Nun war die Gestalt des Tieres deutlich zu erkennen. Der Bär war, wie wir richtig vermutet hatten, ein riesiger Kerl. Wären seine Gesellschaftskreise so weit in der sozialen Bildung vorgeschritten, um dergleichen Vereine zu haben, so hätte er getrost darauf rechnen können, die Ehrenmitgliedschaft irgend eines Athletik-Klubs zu erlangen. Aber trotz der Deutlichkeit, mit welcher er sich uns jetzt präsentierte, legte ich die Büchse wieder weg.
    „Allah, Allah! Schieß doch, schieß!“ fuhr Halef mit fast lauter Stimme mich an.
    „Leise, leise! Er hört dich sonst!“
    „Aber warum schießest du nicht?“
    „Siehst du denn nicht, daß er uns den Rücken zukehrt?“
    „Was schadet das?“
    „Der Schuß ist mir nicht sicher genug. Der Bär äugt nach dem Haus hinüber. Sollte er unsere Pferde wittern? Sehr leicht möglich. Er hat sich von dem Mahl da abgewendet. Das ist bedenklich. Wir müssen warten, bis er sich wieder herumdreht, dann – tausend Donner! Was fällt dir ein!“
    Diesen Zornesruf stieß ich laut hervor. Der Hadschi hatte seine Ungeduld nicht mehr zu zügeln vermocht; er hatte so schnell, daß ich es nicht hindern konnte, angelegt und den Schuß abgegeben. Den zweiten schickte er sofort nach, aber nur unsinnigerweise, denn die soeben noch aufgerichtete Gestalt des Tieres war nicht mehr zu sehen.
    Ohne auf den Ausbruch meines Zornes zu achten, sprang der Kleine auf, schwang das abgeschossene Gewehr in der Luft und schrie:
    „Nusret, Safer, ölmisch dir, müteweffa dir – Sieg, Triumph, er ist tot, er ist hinüber!“
    Ich langte empor, packte ihn beim Gürtel und riß ihn nieder.
    „Willst du schweigen, Unglücksrabe! Du hast den Bären verscheucht.“
    „Verscheucht?“ rief er, indem er sich von meinem Griff zu befreien suchte. „Erlegt habe ich ihn, überwunden ist er. Ich sehe ihn ja liegen.“
    Und sich gewaltsam von mir losreißend, sprang er wieder auf und schrie mit aller Macht seiner Stimme:
    „Omar, Osco, hört die Wonne, hört die Seligkeit! Vernehmt den Ruhm eures Freundes und achtet auf die Trompetentöne meiner Herrlichkeit! Ich habe den Bären erschossen, ich habe ihn versammelt zu seinen Vätern und Großonkeln, ich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abdul Abbas Ibn Had –“
    Er konnte nicht weiter, denn ich war nun auch aufgesprungen, packte ihn hinten beim Genick und drückte ihn nieder. Ich war wirklich sehr zornig und hatte infolgedessen so fest zugegriffen, daß er unter meiner Hand wie ein Gliedermännchen zusammenknickte.
    „Wenn du noch einen Laut von dir gibst, bekommst du meine Faust, du Besitzer eines unglücklichen Schafgehirns!“ drohte ich. „Bleibe hier oben, und lade schnell deine beiden Gewehrläufe wieder. Ich will sehen, ob die Beute noch für uns zu retten ist.“
    Bei diesen Worten sprang ich, ohne auf meinen noch nicht ganz festen Fuß zu achten, von dem Stein herab. Da unten duckte ich mich schnell wieder, zog das Messer locker und legte die Büchse an. War der Bär noch da, so nahm er mich jedenfalls auf der Stelle an. Von oben herab klang der eiserne Ladestock des Hadschi, unten aber blieb alles ruhig. Es war nichts zu hören und nichts zu sehen. Nur so viel nahm ich wahr, daß der Bär sich nicht mehr bei dem Kadaver befand.
    Dennoch war die größte Vorsicht geboten. Seinem Alter war die Schlauheit zuzutrauen, sich nicht direkt auf mich loszustürzen, sondern heimlich um den Stein herumzuschleichen. Das wäre gefährlich für mich gewesen, denn wenn er um die Ecke kam, so trafen wir so eng zusammen, daß er mich mit den Pranken greifen konnte. Darum entfernte ich mich einige Schritte vom Felsen, nach der Seite hin, so daß ich diesen und zugleich den Kadaver im Auge behielt.
    Wir

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