17 Tante Dimity und die Dorfhexe Dorfhexe (Aunt Dimity and the Village Witch)
unsicher.
» Es war in gewissem Sinn ein Fortschritt, nehme ich an«, sagte Lilian. » Leider bedienten sich Hexenjäger jedoch weiterhin der Folter, wenngleich etwas weniger drastischer Methoden. Die drei bekanntesten Formen waren das Schwemmen, Stechen und Schlafentzug.«
» Was war das Schwemmen?«, fragte Millicent.
» Mit der Schwemmprobe wollte man demonstrieren, dass die Frau das Wasser als Symbol für die Taufe ablehnte, als Beweis, dass sie eine Häretikerin und Hexe war«, erklärte Lilian. » Dazu wurden die Gliedmaßen der Frau zusammengebunden, oder man fesselte sie an einen Stuhl und warf sie in einen Teich oder Fluss. Wenn sie unterging, wurde sie von der Anklage freigesprochen, sofern sie es überlebte. Wenn sie aber das Wasser › ablehnte‹ und wieder an die Oberfläche kam, wurde sie im Sinne der Anklage schuldig gesprochen. Wie Sie sich vorstellen können, endeten die meisten Wasserproben damit, dass die Frauen ertranken. Und die, die überlebten, wurden an den Galgen gebracht, sodass sie auch nicht viel besser dran waren als ihre untergegangenen Leidensgenossinnen.«
» Haben sie das auch mit Mistress Meg gemacht?«, fragte Millicent bestürzt. » Nachdem sie so viel Gutes getan hatte?«
» Das weiß ich nicht«, erwiderte Lilian. » Reverend Gowland beschreibt nicht die Art des Martyriums, das Mistress Meg erleiden musste.«
» Und was hat es mit dieser anderen Methode auf sich?«, fragte Opal. » Dem Stechen?«
» Durch das Stechen versuchte man ein Hexenmal zu entdecken. Man glaubte, dass alle Hexen irgendwo am Körper eine Stelle hatten, die sich nicht zurückzog und auch nicht blutete, wenn man mit einer Nadel hineinstach. Manchmal benutzte man auch eine Ahle für das Stechen. Wenn ein Hexenfinder entschlossen war, ein Hexenmal zu entdecken, wurden die Frauen oftmals hunderte Male gestochen.«
» Sie meinen, sie haben Mistress Meg mit Nadeln traktiert?«, fragte Opal, die ganz weiß im Gesicht geworden war. » Hunderte von Male?«
» Wie gesagt, ich weiß es nicht«, sagte Lilian. » Gamaliel hat nichts darüber geschrieben.«
» Und die dritte Methode, von der Sie gesprochen haben?«, fragte Selena Buxton fast ängstlich. » Der Schlafentzug?«
» Das war die vielleicht schlimmste Folter überhaupt. Und leider muss ich sagen, dass sie in abgewandelter Form noch heute in sogenannten zivilisierten Ländern praktiziert wird. Damals wurde Schlafentzug in Verbindung mit Aushungern angewandt. Die mutmaßliche Hexe wurde in ein einfaches Hemd gesteckt und gezwungen, tagelang ohne Essen und ohne Schlaf in einer Zelle zu sitzen, während die Hexenjäger sie beobachteten.«
» Was erwarteten sie denn zu sehen?«, fragte Selena.
» Sie hofften, der Vertraute der Hexe– eine vom Teufel besessene Katze, ein Hund oder, in Mistress Megs Fall, eine Ziege– würde auftauchen, um ihr zu essen zu bringen.«
» Sie dachten allen Ernstes, eine Ziege würde mit einem Teller voll Essen in die Zelle hineinspazieren?«, fragte Henry ungläubig.
» So ungefähr. Nachdem kein › Hexenvertrauter‹ kam, zwang man die Verdächtige, stundenlang barfuß in der Zelle herumzugehen, während man ihr unzählige Fragen stellte. Ich fürchte, dass die meisten Frauen irgendwann die Antworten gaben, die die Hexenjäger hören wollten.«
Selena ließ den Kopf sinken, Opal schüttelte ihren entsetzt, Millicent schnalzte angewidert mit der Zunge, und Elspeth schauderte. Charles und Grant machten einen ungewohnt grimmigen Eindruck. Dick und Henry zeigten unverhohlen ihren Abscheu, Amelia biss sich auf die Lippe, und der sanfte George Wetherhead sah aus, als wäre er am Rande einer Ohnmacht. Ich schlang die Arme um den Körper, wie von einem eisigen Luftzug getroffen. Ich hatte geahnt, dass es mit Mistress Meg ein tragisches Ende genommen hatte, aber meine Ahnung bestätigt zu sehen, verschaffte mir keinerlei Befriedigung.
» Wenn man sich vorstellt, was sie mit ihr gemacht haben, wird einem übel«, murmelte Dick.
» Was wirklich übel ist«, sagte Lilian mit einer Stimme, die alles andere als neutral und auch nicht mehr gelehrt klang, »ist, dass Menschen im Namen Gottes, eines Landes oder was auch immer bereit waren, andere brutal zu foltern. Ich hatte eigentlich gehofft, Reverend Gowland hätte sich von einer besseren Seite gezeigt, aber offensichtlich war er ein Kind seiner Zeit. Er und andere Kirchenmänner sahen untätig zu, wie eine unschuldige Frau fortgeschleppt wurde, um gefoltert und gehängt zu
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