170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
Wohlergehen am Herzen lagen, wusste er gleichzeitig, dass andere Dinge Vorrang hatten. Das Wohl und die Festigung des Clans der Ui Sheaghda standen unumstößlich an oberster Stelle.
„Keely, mein Mädchen“, sagte er schließlich, und auf seiner Stirn lagen tiefe, sorgenvolle Falten, „ich wünschte, ich hätte eine Antwort für dich, aber ich weiß keine. Denn letztes Endes musst du dem Ruf deines Herzens folgen.“
„Nein, Onkel“, rief sie aus. „Ich kann meinem Herzen nicht vertrauen.“
Die beiden schreckten zusammen, als draußen auf dem Gang eine Tür heftig zugeschlagen wurde. Keelin stand sofort auf, um nachzusehen, was geschehen war. Sie spähte in den Gang hinaus und entdeckte vor ihrer Kammer Annie mit dem Säugling im Arm. Der Blick der jungen Frau war zu Boden gerichtet, und das Baby schrie. Isolda hatte die Arme in die Hüften gestemmt und sich drohend vor ihr aufgebaut. Zorn flackerte in ihren Augen. „Dein Aufgabenbereich ist unten, oder irre ich mich?“, ließ sich Lady Coule vernehmen.
„Ja, Mylady, aber …“
„Lady Isolda, bitte“, mischte Keelin sich ein, um Annie zu Hilfe zu kommen. Sie nahm der armen Frau das Baby ab und wandte sich wieder der Aufseherin zu. „Es macht mir nichts aus, nach der Kleinen zu sehen …“
„Ich verbitte mir, dass die Dienerschaft hier oben die Gäste belästigt“, zischte Isolda und war kaum in der Lage, ihren Zorn zu unterdrücken.
Annie geriet ins Stottern. „Oh, ich … aber …“
„Und ich will keine frechen Widerworte von …“
„Mir ist es lieber, von Bediensteten belästigt zu werden, wie Ihr es ausdrückt“, sagte Keelin betont ruhig, „als falsche Hinweise zu erhalten, wie man einen Bischof zu begrüßen hat.“
Isolda blieb der Mund offen stehen. Trotzig schob sie das Kinn vor, doch plötzlich schien sie ihr großspuriges Selbstvertrauen zu verlieren. Ihr Blick huschte von einer Seite zur anderen und haftete schließlich auf Marcus, der in diesem Moment hinter Keelin den Gang betrat. Fluchtartig suchte sie das Weite, bevor er sie zur Rede stellen konnte, wie er es unlängst vorgehabt hatte.
„Ihr wolltet mich sprechen, Annie?“, sagte Keelin und wandte sich der jungen Mutter zu. Sie hatte nicht gemerkt, dass Marcus auf den Gang getreten war.
„Ja, Mylady“, flüsterte das Mädchen und war sehr unsicher, wie sie sich verhalten sollte. Eben noch hatte sie ihre wutentbrannte Herrin erlebt, die plötzlich davongeeilt war, und nun sah sie den Grafen im Gang stehen.
„Wie geht es deinem kleinen Mädchen heute?“, fragte Keelin und herzte den Säugling, der mittlerweile aufgehört hatte zu schreien. „Sie ist nicht mehr so kurzatmig, nicht wahr?“
„Ja, i…ihr geht es besser“, erwiderte Annie, „aber ich dachte, Ihr hättet vielleicht noch etwas von dem Engelwurzpulver, das Ihr in das heiße Wasser gegeben habt, Mylady.“
„Ja, gewiss“, sagte Keelin unbekümmert, als wäre nichts Unerfreuliches geschehen, doch der Wortwechsel mit Isolda hatte sie beunruhigt. Sie öffnete die Tür zu ihrer Kammer. „Ich habe noch ausreichend von den Heilkräutern, auch von dem Lungenkraut, und du kannst dir nehmen, so viel du brauchst.“
„Oh, Mylady.“ Annie folgte der jungen Irin zögerlich in die Kammer. „Ihr seid so gütig zu mir und den Meinen. Wenn wir etwas für Euch …“
„Schon gut“, erwiderte Keelin nachdenklich. „Deine süße Peg soll wieder gesund werden. Das ist alles, was ich mir wünsche.“
Marcus brachte die meiste Zeit des Tages damit zu, die Geschäfte der Burg abzuwickeln. Er hieß die Aufgaben willkommen, die ihn davon abhielten, Keelin zu unüberlegt zu begegnen. Jetzt hatte er Abstand gewonnen, um darüber nachzudenken, wie er ihr ausreden könnte, nach Kerry aufzubrechen.
Zunächst nahm er sich vor, auf Isoldas Verhalten nicht einzugehen. Doch er kam zu dem Schluss, dass ihm keine andere Wahl blieb, als ihr ins Gewissen zu reden und zu verdeutlichen, wie schlecht sie Keelin und die Dienerschaft behandelte. Marcus vermochte nicht zu sagen, wie lange es dauerte, einen geeigneten Gemahl für Lady Coule zu finden, sie zu verheiraten und ihr ein neues Zuhause in Aussicht zu stellen. So sehr er die Auseinandersetzung mit dieser Frau auch fürchtete, es war seine Pflicht, Isolda zur Rede zu stellen, und zwar so bald wie möglich.
Marcus schickte dieses Mal keinen Diener, um sie suchen zu lassen, sondern stieg selber die Hintertreppe hinunter und ging zur Kemenate, da er wusste, dass sie sich
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