1702 - Rückkehr der Verdammten
Ich warte auf einen Kontakt.« Nach dieser Antwort schaute ich auf mein Kreuz, weil ich hoffte, es als Vermittler zu erleben.
Da geschah nichts, und so hatte ich Zeit, mich wieder auf die neue Entdeckung zu konzentrieren.
Sie waren nicht verschwunden. Sie blieben, und wie es aussah, verstärkten sie sich. Sie hatten einen Halbkreis gebildet und traten jetzt nebeneinander aus ihrem Versteck hervor.
Es gab für mich nur eine Erklärung. Sie wollten zu mir. Sie hatten endlich ein Ziel. Ich hörte sie nicht, denn sie waren nur zu spüren. Etwas erwischte meinen Körper. Was es genau war, fand ich nicht heraus, es war wie ein schwacher Geistersturm, und der ließ mich leicht erschauern.
Es war wirklich der Kontakt mit der anderen Seite, der Geisterwelt. Zugleich stellte ich mir die Frage, welche Welt ich da vor mir sah. Aus Erfahrung wusste ich, dass es einige gab, verschiedene Sphären, und ich erlebte wohl eine, die ich noch nicht kannte.
Die Stimmen waren plötzlich da. Sie kreisten in meinem Kopf. Den Eindruck hatte ich zumindest. Sie wollten ihre Botschaften loswerden, ohne bisher konkret geworden zu sein.
Meinen Blick hielt ich nach vorn gerichtet, weil ich die andere Seite nicht aus den Augen lassen wollte. Ich war überzeugt, dass sich die Schatten nicht mehr zurückziehen würden.
Das Kreuz hielt ich fest. Ich wartete darauf, dass sich seine Reaktion verstärkte, was nicht geschah. Es blieb bei seiner ersten Botschaft, und damit musste ich mich abfinden. Das war nicht mal so schlecht, denn ich ging davon aus, dass mich die andere Seite nicht töten wollte.
In und um meinen Kopf herum tönte nach wie vor die Botschaft. Ich verstand leider nichts und wartete darauf, dass die andere Seite verständlicher wurde.
Das trat tatsächlich ein.
Es wurde für einen Moment still, sodass nur die schwachen Nebelgestalten zu sehen waren, auch nicht mehr am Waldrand, sondern jetzt mitten auf dem Friedhof. Sie hatten den Kontakt verstärkt, und das bekam ich auch zu hören.
Aus den zahlreichen Stimmen wurde wieder eine, und die nahm Kontakt zu mir auf.
»Du bist gekommen, das ist gut. Wir haben dich gar nicht erwartet, denn Hector de Valois gibt es nicht mehr.«
»Das stimmt!«, flüsterte ich.
»Und doch hast du etwas, das wir von ihm her kennen.«
»Meint ihr das Kreuz?«
»Ja, was sonst? Auch er hatte es. Er hat voll und ganz darauf vertraut. Und er hat die beiden Menschen verflucht. Er war mit dabei, als sie starben …«
»Sind sie denn tot?«
Ich hörte die Antwort. Sie bestand nur nicht aus Worten. Ich vernahm ein Geräusch oder Laute, die sich wie Gelächter anhörten, das allmählich verstummte und dann wieder in den Stimmenklang überging.
»Sie sind noch da!«
Diese Antwort hatte ich erhofft, denn sie war für mich der Beginn für eine Erklärung, die ich von der anderen Seite haben wollte, weil ich sie mir selbst nicht geben konnte.
»Dann – dann – leben sie?«
Erneut überraschte mich die Antwort. »Sie sind niemals tot gewesen.«
»Was soll das? Es wurde gesagt, dass sie erschlagen und hier begraben wurden. Sie haben die Pest in sich gehabt, und es war ein gewisser Hector de Valois, der hier seine …«
»Du bist dumm!«
Ich nahm es hin und sagte nichts.
»Du bist so dumm und auch voller Unkenntnis wie der Mann, der dein Kreuz damals trug. Er hat gedacht, dass er gewinnen würde, aber das konnte er nicht, denn wir sind stärker oder waren es.«
»Ja«, flüsterte ich zurück. »Und wer seid ihr? Wieso könnt ihr behaupten, dass ihr stärker seid?«
»Weil wir es sind. Schon seit alters her. Wir sind den Menschen überlegen. Viele verehren uns, viele wollen sein wie wir, aber nur wenige schaffen es.«
»Als Geister zu existieren?«
»Ja, so nennt man uns. Aber wir haben auch einen anderen Namen, der den Menschen besser gefällt.«
Nein, ich wusste noch nicht Bescheid. Aber mir lag der Begriff auf der Zunge, obwohl ich das alles im Moment nicht nachvollziehen konnte.
Die Erklärung gab man mir.
»Wir sind Engel!«
***
Bisher hatte ich den Vorgang normal und ohne Schockwirkung hingenommen.
Als ich jedoch hörte, als was sie sich sahen, da geriet ich schon ins Grübeln und erlebte auch einen leichten Schock.
Wieso Engel?
Das bekam ich nicht in meinen Kopf. Ich kannte die Engel, ich hatte genug mit ihnen zu tun gehabt, und sie begegneten mir auch immer wieder, aber diese Gestalten hätte ich auf keinen Fall als Engel eingestuft.
Nur sah ich keinen Grund, es nicht zu glauben.
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