1705 - Auf der Welt der Kristalle
einem blaustichigen Weiß, und die Gesichter wirkten schmal und in die Länge gezogen.
So standen sie in der Nähe des Feuers und starrten hinab auf einen Mann, der auf dem Boden lag und am ganzen Leib zuckte. Er stieß halberstickte Laute aus, wand und krümmte sich, krallte und streckte die Finger.
„Er ist krank!" stieß jemand hervor. Die Besatzung der zweiten Expedition zur Großen Leere hatte zwar teilweise in Eile zusammengetrommelt werden müssen, aber eines war selbstverständlich vor dem Abflug genau überprüft worden: Jedes Mitglied der Besatzung war beim Start kerngesund gewesen. In den wenigen Fällen, in denen dies nicht zutraf, waren die Krankheiten genau bekannt gewesen: medizinisch kontrollierte und eingestellte Stoffwechselstörungen zum Beispiel, chirurgische Implantate und dergleichen mehr.
Ein Anblick wie dieser - der Mann auf dem Boden wölbte den Bauch in die Höhe und bog sich durch, daß man seine Wirbel knirschen hören konnte - war eigentlich undenkbar gewesen, und entsprechend tief ging wohl der Schock, den die Zuschauer zu verarbeiten hatten.
„Eine Seuche ...", ertönte eine heisere Stimme, in deren Klang Panik zitterte.
Wann hatte ein Galaktiker des dreizehnten Jahrhunderts NGZ schon einmal etwas mit einer Seuche zu tun? In Filmen vielleicht, in historischen Darstellungen und Dokumentationen, möglicherweise in Berichten über exotische, neu entdeckte Welten voller unzivilisierter Eingeborener. Aber ganz bestimmt nicht in seinem hygienisch einwandfreien Alltag - vom unvermeidlichen Schnupfen einmal abgesehen.
„Die Thyssan-Pest ..."
Jetzt hatte das Phänomen seinen Namen. Magira Vee blickte um sich und schüttelte den Kopf. Sie mißbilligte, was in ihrer Nähe geschah - aber sie konnte spüren, wie sich das Grauen auch in ihr ausbreitete.
Boro Shufman war inzwischen niedergekniet und hielt den Kopf des Mannes, dessen Anfall sich langsam beruhigte. Der irrlichternde Blick klärte sich allmählich.
„Was ist passiert?" fragte der Mann, nach Luft schnappend. Er hatte sich körperlich extrem verausgabt bei seinem Zusammenbruch, sein Körper war schweißbedeckt.
„Du hattest einen Anfall", sagte Boro Shufman. Magira Vee fiel auf, wie sachkundig und zart zugleich der Ortungsspezialist den Kopf des Kranken hielt. „Du bist umgefallen und hast die Kontrolle über deinen Körper verloren. Wie fühlst du dich?"
„Ich ..." Der Mann schüttelte den Kopf und blickte schwach in die Runde. „Ich weiß von nichts, wirklich rein gar nichts ..."
Laßt mich durch, Leute ..." Magkue erschien beim Feuer, und die Umstehenden wichen respektvoll zur Seite, um dem Ara Platz zu ma - chen. Mit einem Diagnose-Handgerät untersuchte Magkue den Mann, während er mit Blicken und Handbewegungen die Zuschauer zurückzudrängen versuchte.
„Hast du etwas sehen können?" zischte er leise in Boro Shufmans Richtung. Boro schüttelte den Kopf.
„Zu spät gekommen", antwortete er leise. Der Kreis um die drei Männer wurde größer. Michael Rhodan trat hinzu, auch Mertus Wenig kam. Die Gesichter der beiden Männer wirkten sehr ernst. Im Hintergrund wurde zuerst leise, dann immer lauter getuschelt. „Ich habe fast nichts gesehen. Nur Krämpfe und Zuckungen wie bei einem epileptischen Anfall.", „Was fehlt mir, Doc? Ist es schlimm?"
Boro Shufman kannte den Mann, dessen Kopf er hielt: Gnaron Nol, Wartungstechniker in einem der Beiboothangars. Ruhig, still, zuverlässig, einer von denen, die nie auffielen, außer sie fehlten einmal.
Nol hatte sichtlich Angst.
Magkue zögerte, nur einen winzigen Augenblick lang, und Boro Shufman wußte, daß sich der Ara in dieser kurzen Spanne eine passende Antwort hatte zusammensuchen müssen. Die Wahrheit war es nicht, was er sagte, soviel stand für Shufman fest.
„Kein Grund zur Panik", behauptete der Ara und lächelte. Es war jenes typische Medizinerlächeln mit der standardisierten Bedeutung: „Ich werde die Sache schon in den Griff kriegen!", das es überall zu sehen gab, das nie stimmte und doch fast immer geglaubt wurde. Eine milde Lüge tat wohler als eine schroffe Wahrheit. „Es ist nur eine vegetative Erschöpfung, mehr nicht. Wir ..."
Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Aus der Menge löste sich eine Frau und kam langsam, mit schlurfenden Schritten näher. In ihren Augen flackerte das schiere Entsetzen. Sie zog ihr rechtes Bein nach, der linke Mundwinkel zuckte, und die rechte Hand hielt sie ausgestreckt vor sich. Der Mittelfinger war in einer
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