1706 - Lockvogel der Nacht
Halbvampiren gesprochen?«
»Nein, nicht bei mir.«
»Hellman schon – oder? Und die anderen auch, wie ich mir vorstellen kann.«
»Ich weiß es nicht. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen. Justine hat mich geschickt.«
»Klar. Ich sollte dein erstes Opfer sein.« Meine Augen verengten sich leicht. »Und wie geht es weiter? Welche Pläne hat sie noch mit dir? Antworte!«
»Ich kenne sie nicht.«
»Ach? Soll ich das glauben?«
»Ja, das musst du glauben.« Wieder knurrte sie. »Die große Zeit ist noch nicht da. Aber es wird nicht lange dauern, bis wir vollständig sind.«
»Und dann?«
Sie schob ihren Kopf leicht vor. »Ich weiß nicht, was wann geschieht. Aber wir werden siegen. Justine ist die große Siegerin. Niemand kann sie stoppen.«
Ich runzelte die Stirn. »Nur sie?«
»Was meinst du?«
»Gibt es da nicht noch einen anderen Namen, der dir bekannt sein sollte?«
»Welcher?«
Ich glaubte nicht daran, dass sie mich anlog, und deshalb sprach ich ihn aus.
»Will Mallmann oder Dracula II …«
Kate zuckte zusammen. Ihr Gedächtnis hatte nicht gelitten. Sie wusste Bescheid. Will Mallmann hatte dafür gesorgt, dass sie zu Halbvampirin wurde, bevor er dann von uns vernichtet worden war.
»Es gibt ihn nicht mehr!«
Für mich hatte sie schon überzeugend gesprochen. Kate war gefährlich, aber sie war nur eine Mitläuferin, nicht eingeweiht in die wichtigen Vorgänge.
Ich hatte schon öfter vor einem Problem wie diesem gestanden. Das hatte mich wieder eingeholt. Ich durfte dieses Wesen nicht laufen lassen. Wenn es ihr gelang, das Blut eines Menschen zu trinken, konnte sie damit eine Kettenreaktion auslösen, und das durfte ich auf keinen Fall zulassen. Ich glaubte auch nicht, dass sie mir noch weitere Auskünfte geben konnte. Kate sah aus wie ein Mensch, aber sie war keiner, auch wenn sie das Aussehen einer schönen Frau besaß.
Ich spürte, dass etwas in ihrem Kopf vorging. Eine leichte Unruhe erfasste sie. Sie rutschte auf dem Sitz hin und her. Unablässig starrte sie mich an, als suchte sie in meinem Blick oder Gesicht etwas Besonderes.
Ich hob die rechte Hand leicht an. Dabei nahm ich auch die linke weg, die auf ihr gelegen hatte, um das Kreuz zu verbergen. Ich würde nicht schießen, ich wollte sie durch das Kreuz erlösen, und dabei musste es freiliegen.
Es lag plötzlich frei.
Kate brüllte auf. Der Schrei drang in meine Ohren. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Entsetzens, denn sie wusste ja, was auf sie zukam.
Und dann tat sie das genau Richtige in ihrem Fall. Die Tür stand immer noch halb offen, und das nutzte Kate aus. Sie warf sich rücklings nach hinten, prallte gegen die Tür, wuchtete sie auf und kippte aus dem Wagen hinein in den Flockenwirbel und den Schnee …
***
Jane Collins war alles andere als beruhigt, als ihr Freund John Sinclair sie verlassen hatte. Es war zwar nichts passiert, aber das Gespräch über die Cavallo und die Zukunft hatten ihr gereicht. Jane war innerlich aufgewühlt, und ihr künstliches Herz arbeitete schneller als gewöhnlich.
Vielleicht wäre es doch besser gewesen, John bei ihr in der Wohnung zu behalten. Jane fühlte sich zwar nicht direkt bedroht, aber der Kloß in der Kehle war schon da und wollte auch nicht verschwinden.
Sich hinzusetzen, dazu fehlte ihr die Ruhe. Und so ging sie in ihrer Wohnung auf und ab. Sie ging auch zur anderen Seite des Flurs. Dort lag das ehemalige Zimmer der Cavallo. Jane betrat es nicht. Sie konnte sich nicht überwinden, und so ging sie die Treppe runter ins Erdgeschoss. Die Unruhe trieb sie weiter. Sie machte sich auch Gedanken darüber, ob ihr Haus nicht beobachtet wurde.
Dann betrat sie die Küche. Das Licht ließ sie dort ausgeschaltet. Sie wollte durch nichts gestört werden, wenn sie nach draußen schaute. Viel sah sie nicht. Oder beinahe gar nichts, denn die schweren Flocken fielen wie an der Schnur aufgereihte Perlen vom Himmel.
Die Detektivin kaute auf ihrer Unterlippe. Das Wetter war ungünstig, wollte man normalen Aktivitäten nachgehen. Für Personen, die etwas Negatives im Sinn hatten, war es geradezu ideal. Die konnten sich an ein Ziel heranschleichen, ohne gesehen zu werden.
Jane merkte schnell, dass sie es im Haus nicht aushielt. Sie wollte nach draußen und nachschauen. Zuerst lief sie wieder nach oben, holte ihre Pistole und steckte sie an der linken Seite in den Gürtel.
Die gefütterte Jacke hing an der Garderobe. Sie reichte ihr bis zu den Knien und hatte zudem eine Kapuze. Jane
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