1707 - Das Rätsel der toten Bücher
wollen.«
»Hat er es denn geschafft?«
»Nein, nein, das hat er nicht. Und ich will wissen, ob er es versucht hat. In den Büchern ist aufgeführt, wer damals sterben musste. Viele meiner Schwestern haben ihr Leben unter großen Qualen verloren, auch ich musste sterben. Ich geriet in ein Würgeeisen, das mir langsam den Tod brachte, der so grauenvoll war. Ich habe gelitten, ich habe immer gehofft, aber er kam nicht.«
»Und das Tier hat dir nicht geholfen, Teresa?«
Jetzt zuckte sie sogar leicht zusammen. »Du – du – kennst das Tier?«
»Ja, ich habe es zwar nicht als Tier gesehen, aber ich kenne seinen Namen. War es vielleicht der Teufel? Hast du bei ihm Trost gesucht, bevor dein Bräutigam kam?«
»Habe ich.« Sie nickte. »Ich habe es hinter den Mauern nicht mehr ausgehalten. Ich bin zu den Frauen gekommen, die es gut mit mir gemeint haben.«
»Hexen?«
»Nein, weise Frauen, die sich nichts mehr gefallen lassen wollten. Andere haben sie als Hexen bezeichnet. Wir sind verraten worden, und nur deshalb konnte man mich töten. Ich habe immer auf meinen Bräutigam gehofft, aber er kam nicht.«
»Wusste er denn, welchen Weg du gegangen bist? Hast du ihm vom Tier erzählt?«
»Ja, das habe ich.«
»Und was sagte er?«
»Er wollte es nicht glauben, ich habe ihn angefleht um unserer Liebe willen, er hat mir auch ein Versprechen gegeben, aber er hat es nicht gehalten.«
»Das ist schlecht für dich gewesen.«
»Und so musste ich sterben, doch ich habe bis zuletzt auf das Tier vertraut, und ich habe mich nicht geirrt. Das Tier hat mir geholfen. Ich bin da, ich kann meine Rache genießen.«
»Rache an einem Toten? Oder glaubst du, dass er ebenfalls noch existiert? Glaubst du das wirklich?«
»Ich will die Bücher.«
»Und dann? Da waren wir schon mal. Was sollen sie dir nützen? Gar nichts.«
Teresa nickte. »Es ist meine letzte Warnung. Es gab schon mal einen Menschen, den ich fragte. Er wollte mir die Bücher ebenfalls nicht geben.«
»Und dann hast du ihn getötet?«
»Ja, das musste ich tun. Er sollte nicht mehr leben. Ich lasse mir nichts mehr gefallen.«
Die beiden Bücher waren alles anders als dick. Wenn ich sie übereinander legte, konnte ich sie bequem mit einer Hand umfassen, was ich auch tat. Ich streckte ihr zudem den Arm entgegen und sagte nur einen Satz: »Hol sie dir!«
Sie zögerte. Ich spürte auch weiterhin die Warnung meines Kreuzes. Und ich war darauf gespannt, ob sie merkte, was ich vor meiner Brust trug.
»Du willst also sterben?«
»Mal sehen …«
Sie hatte sich entschlossen und setzte sich in Bewegung. Recht langsam kam sie vor. Schritt für Schritt ging sie auf mich zu, und es war nichts zu hören.
Ich wartete darauf, dass sie nahe genug war. Irgendwas musste einfach passieren, denn ich glaubte nicht daran, dass die Wirkung meines Kreuzes unbeachtet blieb.
Ich konzentrierte mich auf ihr Gesicht. Eine Veränderung sah ich nicht, bis auf das Zucken, das plötzlich eintrat.
Dann blieb sie stehen.
Es war die kurze Zeit des Abwartens. Wahrscheinlich spürte sie die andere Kraft, streckte bereits die Hand aus, um nach den Büchern zu greifen, als es passierte.
Ein Schrei löste sich aus ihrem Mund. Ich erlebte auf meiner Brust einen regelrechten Wärmestoß, und urplötzlich zerplatzte sie vor meinen Augen …
***
So jedenfalls war es mir vorgekommen. Es gab ihr Gesicht nicht mehr. Etwas anderes breitete sich in verschiedene Richtungen hin aus. Ich hatte den Eindruck, dass in diesem Augenblick die Fetzen flogen, und zog mich unwillkürlich zurück.
Das Gesicht oder die gesamte Gestalt zerplatzte nicht. Es kam zu einer Metamorphose, denn aus dem Frauengesicht wurde plötzlich eine böse Fratze, wie ich sie schrecklicher selten gesehen hatte.
Das war einfach grauenhaft, was mir da geboten wurde. Verschiedene Gesichter drückten sich zusammen. Die von Tieren und Mutanten, ich sah mehrere Münder, ich sah Augen, die an verschiedenen Stellen wuchsen, und hörte einen Schrei, der eigentlich wahnsinnig laut gewesen sein musste, ich bekam ihn aber nur leise mit, denn er schien nicht in meiner Nähe aufgeklungen zu sein.
Ich lief nach vorn, und es war mir egal, ob ich mitten in die Fratze hineingriff.
Sie war nicht mehr da, obwohl ich sie noch sah. Sie musste sich in einer anderen Zone aufhalten, als hätte sich hier direkt vor meinen Augen ein unsichtbares Tor geöffnet.
Dann war sie weg!
Keine Spur mehr von Teresa und auch keine von diesem zusammengesetzten
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