171 - Teutelstango
bekommen. Die Frühmaschine…" „Nein", wehrte er ab. „Don Felipe soll zusehen, wie er klarkommt. Aber ich kann nicht so schnell verschwinden. Ich…" In seinen Augen blitzte es kurz seltsam auf, und Coco fragte sich, was das bedeutete. Aber sie war bereit, auf seine Pläne einzugehen. Wenn er sich mit dem Verschwinden noch etwas Zeit lassen wollte, konnten sie sich selbst ebenfalls Zeit lassen.
„Ich will nicht mit einem Linienflugzeug untertauchen", sagte Cuarto. „Man könnte zu leicht herausfinden, wohin ich will. Der Standort der Festung muß geheim bleiben. Ich muß ein Privatflugzeug organisieren. Das dauert vielleicht einen Tag, bis ich habe, was ich will."
Coco konnte sich lebhaft vorstellen, wie das „Organisieren" für einen Dämon aussah. Er würde einen Piloten oder Flugzeugbesitzer kaum danach fragen, ob dieser seine Maschine und seine fliegerischen Künste freiwillig zur Verfügung stellte.
„Was hältst du davon, wenn ich das Flugzeug beschaffe?" fragte Coco. Das war sicherer, und kein Mensch würde zu Schaden kommen, solange Coco es verhindern konnte. Wenn der Dämon sich darum kümmerte, war das nicht auszuschließen. Er würde bedenkenlos Gewalt anwenden.
Er zögerte einen Augenblick, dann aber nickte er. „Gut. Ich bin einverstanden. Wie schnell kann das gehen?"
„Mal sehen", wich Coco aus.
Draußen auf dem Hotelkorridor ertönte Lärm. Don Felipe hatte für seine Truppe die gesamte Etage gemietet, und jetzt kamen einige der anderen Tänzer und Tänzerinnen zurück; die wenigsten allein. Die meisten hatten Begleitung, mit der sie sich in die Zimmer zurückzogen; feurige Brasilianerburschen, die den hübschen Tänzerinnen den Hof machten, und willige
chicas,
die den schneidigen Tänzern die Nacht versüßen wollten. Coco sah, wie Cuarto das Gesicht verzog, er hatte wohl nicht damit gerechnet, die Nacht allein verbringen zu müssen, und daß bei Coco nichts zu holen war, merkte er längst. Er merkte auch, daß er mit Gewalt nichts ausrichten würde, denn dann konnte er ihre Hilfe in den Wind schreiben.
Coco wartete, bis er ihr kurz den Rücken zuwandte. Dann versetzte sie sich blitzschnell in den schnelleren Zeitablauf. Cuarto erstarrte scheinbar zur Statue. In Wirklichkeit war es Coco, die sich so rasend schnell bewegte, daß kein Auge mehr in der Lage war, diese Bewegung zu verfolgen. Sie heftete dem Dämon ein Irrlicht an, das nur sie selbst sehen konnte, dann zupfte sie ihm einige Haare aus und verbarg diese sorgfältig in ihrer Handtasche. Wenn er das Zimmer verließ, konnte sie ihn auf allen seinen Wegen über das Irrlicht zielsicher verfolgen, und die Haare brauchte sie für einen Zauber, der ihr dann verriet, was um ihn herum geschah, was er unternahm. Coco trat wieder hinter ihn und kehrte in den normalen Zeitablauf zurück. Da er sie nicht im Blickfeld hatte, brauchte sie nicht unbedingt dieselbe Körperhaltung einzunehmen, die sie vorher innehatte.
Cuarto fuhr wieder herum. Er griff sich mit der Hand an den Kopf. Kaum merklich verzog er das Gesicht; seine Nervenzellen leiteten die Schmerzempfindung des Haarauszupfens erst jetzt an sein Gehirn weiter.
Er verengte die Augen, sah sich um, als suche er etwas oder jemanden. Auf Coco konnte sein Verdacht naturgemäß nicht fallen; sie stand zu weit von ihm entfernt, um ihn berührt zu haben.
„Hast du etwas?" fragte Coco. „Mir war, als habe jemand an meinen Haaren gerissen", sagte Cuarto. „Verdammt…“
„Ein Vampir dürfte es wohl kaum gewesen sein", sagte Coco spöttisch. „Du bist zu nervös, Diego Cuarto. Ich werde jetzt gehen. Ich bin da, wenn du Schutz brauchst, und ich werde mich sofort bei dir melden, wenn ich ein Flugzeug habe."
„Gut", sagte der Dämon.
Coco verließ das Zimmer. Im Hinausgehen brachte sie noch unbemerkt ein Alarmsiegel an. Dann fuhr sie mit dem Lift abwärts, wo Dorian auf sie wartete.
Cuarto war zufrieden. Der Fisch hing an seiner Angel. Diese Coco Zamis hatte nicht gemerkt, daß er über, ihre Identität Bescheid wußte. Sie wollte nach Chile… aber da würde sie nicht landen. Die Festung, in die Diego Cuarto sie bringen würde, befand sich nicht in Chile, sondern in Peru, in den westlichen Anden. Dort würde sich Julio de Ferreira y Diaz um sie kümmern.
Es klappte alles wie am Schnürchen. Nur eines ärgerte den Dämon: daß er diese Nacht allein zubringen mußte.
Es ärgerte ihn nicht sonderlich lange.
An seiner Zimmertür wurde geklopft. Er lauschte mit seinen Sondersinnen,
Weitere Kostenlose Bücher