1711 - Der Mond-Mönch
das uns leider fehlt, John. Davon müssen wir ausgehen, und dieses Wissen dreht sich um Rasputin.«
»Nicht um die Erben?«, fragte ich.
»Auch. Mittlerweile bin ich fast zu dem Schluss gelangt, dass Rasputin tatsächlich noch lebt. Wie auch immer, verstehst du? Er war damals ja so etwas wie ein Magier. Ein Freund der Schwarzen Künste, ein Mächtiger, auf den sogar der Zar hörte, und jetzt kommt alles wieder, und zwar mit einer Wucht, die mich an seinem endgültigen Tod zweifeln lässt.«
»Und du meinst, dass dies auch die andere Seite weiß und uns deshalb ausschalten will?«
»Ja, sie will uns keine Chance lassen. Sie will im Geheimen operieren und trotzdem Schrecken verbreiten. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
Wenn sie das so intensiv behauptete, lag sie meiner Meinung nach schon richtig.
»Und dein Land ist so wahnsinnig groß«, sagte ich.
»Das stimmt. Die Verstecke sind unzählig. Nur glaube ich nicht, dass sich die Erben Rasputins in die Einsamkeit zurückziehen, um dort wie Eremiten zu leben.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, die werden und wollen am Puls der Zeit bleiben. Dort, wo sie etwas erreichen können und wo das Leben pulsiert. Das kann nur Moskau oder St. Petersburg sein. Weniger die anderen großen Städte. In beiden Orten spielt die Musik.«
Ich war froh, dass wir jetzt besser vorankamen. Wir hatten wieder die Straße erreicht, auf der wir schon gefahren waren. Hier lag der Schnee nicht so hoch. Wir mussten nur auf die vereisten und damit glatten Stellen achtgeben, denn hinfallen und sich etwas verstauchen oder gar brechen wollte keiner von uns.
»Und was setzt ihr dagegen?«, fragte ich.
Karina schaute kurz nach links in mein Gesicht. »Was meinst du damit?«
»Nun ja, ihr habt einen starken Geheimdienst. Dafür wird schon euer Präsident Sorge tragen.«
Sie hob die Schultern. »Das kann man so sagen. Aber man darf ihn auch nicht überschätzen. Die Anschläge der Islamisten hat unser Geheimdienst nicht in den Griff bekommen, und ich habe das Gefühl, dass wieder einer kurz bevorsteht. Heimliche Warnungen hat es gegeben, aber damit haben sich andere Kollegen beschäftigt, was ich zumindest hoffe. Ist auch jetzt nicht unser Thema.«
»Sondern?«
Obwohl wir keine Zeit zu vergeuden hatten, hielt Karina Grischin kurz an. Sie lächelte scharf, als sie mir eine Erklärung abgab.
»Ich befürchte etwas ganz anderes«, sagte sie. »Dass die Erben Rasputins es unter Umständen geschafft haben, die Organisation zu unterwandern – oder zumindest einige davon.«
»Oh, das hört sich nicht gut an.«
»Das ist es auch nicht.«
»Hast du Beweise?«
»Nein, leider keine konkreten. Ich kann es mir nur vorstellen.«
»Wenn du das sagst, ist das okay. Du lebst hier und nicht ich.«
»Dann lass uns weitergehen.«
Es war alles andere als ein Spaziergang, den wir vor uns hatten. Man konnte hier schon von einem Marsch sprechen, auch wenn er nicht mit einem zu starken Tempo ablief. Das ließen die Verhältnisse nicht zu.
Wir hatten uns in der letzten Zeit seltener umgedreht als zuvor. Das wollte ich ändern, blieb erneut stehen und drehte mich um.
Es war wirklich toll, dass wir in dieser hellen Nacht so weit schauen konnten. Die Strecke, die wir zurückgelegt hatten, war schwer zu schätzen. Ich vermutete, dass sich dort, wo unser Blick begrenzt wurde, sich noch der Hubschrauber befand. Zudem sahen wir einen Schatten über der Schneedecke neben der Straße schweben. So zumindest sah es aus, und wir mussten davon ausgehen, dass es das kleine Waldstück war, das uns erst mal gerettet hatte.
Einen Glutpunkt entdeckten wir nicht mehr. So konnten wir davon ausgehen, dass der Wagen völlig erkaltet war.
»Noch tut sich nichts«, bemerkte ich.
Karina Grischin winkte ab. »Wir sollten uns nicht zu sehr freuen. Das dicke Ende kommt meist nach.«
»Ist auch wieder wahr.«
Ich hatte den Satz kaum beendet, da kam es zu dieser Veränderung, die wir uns nicht gewünscht hatten. Der Motor des Hubschraubers wurde gestartet, und die riesige Hornisse würde bald abheben. In dieser klaren Luft und auch in der Stille waren Geräusche auch bei größerer Entfernung deutlich zu hören, und das erlebten wir in diesen Augenblicken.
»Mist«, flüsterte ich, »es geht los.«
»Damit haben wir rechnen müssen. Sie werden uns suchen und bestimmt nicht im Dunkeln.«
Der Hubschrauber startete. Auch das war für uns zu sehen, denn wir erkannten, dass sich weit vor uns etwas
Weitere Kostenlose Bücher