1711 - Der Mond-Mönch
»Es ist mir letztendlich egal. Wir finden was. Vielleicht sogar einen Motorschlitten. Zu Fuß gehe ich jedenfalls nicht weiter, und sollte sich tatsächlich kein motorisierter Untersatz auftreiben lassen, werde ich es mit einem Telefonat versuchen.«
»Okay.«
Karina schaute zum Himmel. »Ich frage mich nur, warum die andere Seite die Suche so schnell aufgegeben hat. Das ist eigentlich nicht ihre Art. Zwei Menschen im Wirrwarr von Moskau zu finden ist etwas anderes als die Suche nach ihnen in dieser praktisch menschenleeren Gegend. Eigentlich hätten wir ihnen gar nicht entkommen können, und ich begreife noch immer nicht, dass sie so schnell aufgegeben haben.«
»Aber das haben sie nicht wirklich, denkst du?«
»So ist es.«
»Dann bleibt nur die Falle übrig, die sie uns gestellt haben könnten.«
»Nicht könnten, John, die haben sie uns gebaut. Ich gehe sogar davon aus, dass wir den Hubschrauber hier in der Nähe finden.«
»Sollen wir nach ihm suchen?«
»Nein. Lieber nach einer Person, die um diese Zeit noch nicht zu Bett gegangen ist.«
»Das wird nicht einfach sein.«
»Ich werde mir ein Haus vornehmen und mal sehen, ob man mir dort öffnet.«
»Tu das.«
Wir standen noch mitten auf der Straße, und Karina blickte sich um. Alle Häuser, die hinter den Zäunen auf meist großen Grundstücken standen, waren dunkel.
»Gibt es hier überhaupt elektrisches Licht?«
Karina verzog die Lippen. »Sicher«, erklärte sie dann. »Aber es gibt wohl nicht durchgehend Strom. Nur einige Stunden am Tag und zwei am Abend.«
»Das weißt du?«
»Ich denke schon. Die Bewohner haben sich darauf eingerichtet. Ist alles nur eine Frage der Einstellung.«
»Gut, dann such dir mal ein Haus aus.«
»Das habe ich bereits.«
»Und wo?«
Sie hob den rechten Arm, streckte den Zeigefinger aus und deutete quer über die Straße auf die andere Seite, wo mehrere Häuser standen.
»Ich nehme das in der Mitte.«
»Warum das?«
»Keine Ahnung. Vielleicht weil es am größten ist.«
Dagegen konnte ich nichts sagen. Allerdings fragte ich, ob ich an ihrer Seite bleiben sollte.
»Gute Frage, John. Ich denke eher nicht, wir wollen die Leute nicht überfordern, wenn ich sie schon aus dem Schlaf reißen muss.«
»Dann warte ich hier so lange.«
»Das ist am besten.«
Karina Grischin schaute sich noch mal um, war zufrieden, dass die Luft rein war, und ging auf das Haus zu, das sie sich ausgesucht hatte.
Der Zaun war auch hier vorhanden und durch ein Tor unterbrochen. Durch den hohen Schnee war es nicht leicht, es zu öffnen. Karina musste zweimal nachfassen, dann war der Weg für sie frei.
Ich konnte nur hoffen, dass wir endlich mal einen Punktgewinn landen würden …
***
Karina Grischin hatte den Kopf leicht gesenkt und schaute zu Boden. Ihr waren die Fußabdrücke aufgefallen, die zum Haus führten. Sie sahen frisch aus. Im Gegensatz zu denen, die vom Haus wegführten.
Das machte sie nachdenklich. Für sie stand fest, dass die Bewohner Besuch bekommen hatten, und der konnte noch nicht lange zurückliegen. Es konnte alles harmlos sein, aber auch eine unangenehme Bedeutung haben.
Die Agentin beschloss jedenfalls, auf der Hut zu sein und sich nicht zu weit vorzuwagen. Wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, empfand sie die Stille hier im Ort als trügerisch.
Der Schnee lag überall, aber vor der Haustür war er zur Seite geschaufelt worden. Die Tür war verschlossen. Sie sah sehr stabil aus. Fenster gab es auch. Zu beiden Seiten der Tür malten sich die vereisten Vierecke ab.
Auch aus dem Kamin dieses Hauses quoll Rauch. So ging sie davon aus, dass es im Innern warm war, und nach etwas Wärme sehnte sie sich, auch wenn es nur ein heißer Kräutertee war.
Eine Klingel existierte nicht. Der Besucher musste sich durch den eisernen Türklopfer bemerkbar machen, der in der Türmitte angebracht war.
Sie zögerte keine Sekunde, fasste nach dem Klopfer und hämmerte damit zweimal gegen die Tür. Aus dem Innern des Hauses hörte sie den Nachhall. Wer nicht zu tief schlief, den würde das Klopfen aufwecken.
So war es auch.
Plötzlich hörte sie Schrittgeräusche, die sich der Tür näherten. Es stellte niemand eine Frage, wer um diese Zeit klopfte, die Tür wurde von innen aufgezogen.
Karina trat etwas zurück, weil sie den Menschen, der öffnete, nicht erschrecken wollte. Es war ein Mann, und Karina wunderte sich, dass er fertig angezogen war. Es fehlten nur noch die Stiefel und eine Winterjacke.
»Ja …?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher