1719 - Totenmarsch
Laute geweckt worden bin. Eine komische Musik.«
»Und weiter?«
»Ja, jetzt wollte ich wissen, ob Sie diese Musik auch gehört haben und mir sagen können, was es damit auf sich hat. Das war doch kein Totenständchen für den Pfarrer.«
»Bitte, reden Sie nicht so.«
»Sorry, Mrs Lannigan, aber diese seltsame Musik will mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin sogar aufgestanden und habe aus dem Fenster geschaut, aber leider nichts gesehen. Die Musiker haben den Ort hier wohl umgangen, was ja möglich ist.«
»Ich weiß nichts davon.«
Er wusste sofort, dass die ältere Frau log. Das war ihr anzusehen, denn so gut verstellen konnte sie sich nicht.
»Schade.«
»Was ist schade, Mister Dury?«
»Dass Sie nicht die Wahrheit sagen. Ich sehe Ihnen an, dass Sie es nicht zugeben wollen. Da können Sie sagen, was Sie wollen, Mrs Lannigan.« Er nickte.
Die Frau senkte den Kopf und schaute auf ihre Hände. Nach einer Weile begann sie zu sprechen. »Sie sind ein noch junger Mensch, Mister Dury, und ich denke mir, dass Sie auch am Leben hängen.«
»Das versteht sich.«
»Dann sollten Sie bestimmte Dinge ignorieren und sich nicht um alles kümmern.« Sie räusperte sich. »Bestimmte Dinge oder Vorgänge sollte man auf sich beruhen lassen.«
»Meinen Sie damit die Musik?«
»Ja.«
Seine Neugierde war erwacht. »Und was sonst noch?«
Helen Lannigan lächelte und schüttelte den Kopf. »Nichts weiter. Sehen Sie, Mister Dury, die Welt ist so groß, sie ist auch so bunt, es gibt bestimmt unzählige Orte, die interessanter für Sie sind als unser Ort hier.«
»Haha!«, lachte er. »Sie wollen mich loswerden, stimmt’s?«
»Ja und nein, ich möchte nicht, dass Sie sich da in etwas verrennen, das nicht gut für Sie ist. Manchmal ist es besser, wenn man einen Rückzieher macht.«
»Das sagen Sie!«
»Und dabei bleibe ich.«
Der Reporter lehnte sich zurück. Er konnte die Frau verstehen. Sie wollte nicht, dass er sich um gewisse Vorgänge kümmerte und auf die Suche ging. Er wusste auch, dass sie es nur gut meinte, aber sie kannte ihn nicht. Er war ein Mensch, der gerade bei solchen Aussagen neugieriger wurde und ihn so etwas wie ein Jagdfieber packte. Das hatte er zwar schon bei seiner Ankunft verspürt, jetzt aber hatte es sich noch gesteigert.
Helen Lannigan hob die Schultern. »Ich kann Ihnen wirklich nichts anderes raten. Sie sind erwachsen. Nur tun Sie sich selbst den Gefallen und verlassen Sie Quimlin.«
Er nickte. »Das werde ich auch tun.«
Ein Ausdruck der Erleichterung stahl sich in die Augen der Frau. Sie lächelte auch. »Das ist wirklich die beste Entscheidung, die Sie haben treffen können.«
»Das schon, aber mit einer Einschränkung.«
»Und die wäre?«
Tom Dury ließ seinen Blick über die Tischdecke gleiten, die gehäkelt worden war, schaute dann aus dem Fenster und war froh, dem Blick seiner Wirtin ausweichen zu können.
»Ich werde die nächste Nacht noch hier im Ort verbringen und erst morgen abreisen.«
Helen Lannigan sagte nichts. Plötzlich saß sie steif auf ihrem Stuhl. Nur die Augen schimmerten, und wie unter Zwang stehend faltete sie die Hände.
Tom Dury entschärfte die Lage durch sein Lachen. »Nun schauen Sie nicht so traurig oder entsetzt. Ich habe bereits einige Nächte hier überstanden. Ich möchte die Musik hören und sehen, wer sie spielt.«
»Nein, tun Sie es nicht!«
»Verdammt noch mal, warum nicht?«
Helen Lannigan wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Sie stand auf. Ihre Hände wurden zu Fäusten, dann gab sie sich einen Ruck und verließ das Zimmer, ohne sich weiter um ihren Pensionsgast zu kümmern, der erst mal auf seinem Stuhl sitzen blieb.
Da war etwas! Das wusste die Frau. Es gab ein Geheimnis, und sicherlich war es allen Bewohnern von Quimlin bekannt, und sie litten darunter.
So etwas hatte Tom schon immer gereizt. Die Warnungen schob er beiseite, sie waren für ihn einfach lächerlich. Gerade jetzt würde er sich auf die Suche machen, und er glaubte sogar daran, dass diese rätselhafte nächtliche Kakofonie mit dem Tod des Geistlichen in einem unmittelbaren Zusammenhang stand.
Von seinem späten Frühstück war nicht mehr viel übrig geblieben. Er schielte auf die Scheibe Käse, die er nahm, sich in den Mund steckte und mit dem letzten Rest des kalten Kaffees herunterspülte.
Er wollte das Haus verlassen und hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt, wie er vorgehen wollte. Noch immer dachte er an den Geistlichen. Er wollte sich in der Nähe
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