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172,3 (German Edition)

172,3 (German Edition)

Titel: 172,3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Voss
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sich genommen. Prüfend, aber auch stolz, musterte er sich. Über 20 Kilogramm hatte er bereits verloren, und er sah es an sich. Nicht so deutlich, wie er sich zwei Paletten H-Milch vorstellte, die er jetzt zusätzlich mit sich herumschleppte, aber doch so deutlich, dass er Veränderungen sah. Sein Bauch war weniger aufgebläht, die ersten zarten Konturen von Muskelsträngen zeigten sich an seinen Oberarmen und an seiner Schulter, sein Gesicht wirkte männlicher, das Doppelkinn reduzierte sich. Das war beachtlich. Er zog sich an und schlich, um Daniela und David nicht zu wecken, in die Küche, setzte einen Kaffee auf und nahm sich zwei ›Obst‹ (Apfel und Banane) mit an den Tisch, wo er langsam und konzentriert aß. Das Wasser lief Dampf speiend durch die Maschine. Viktor wartete und goss sich später Kaffee in eine Tasse. Er hörte leise Schritte von der Treppe. Daniela schlich auf Zehenspitzen hinein.
»Schon wach? Du hast doch Ferien?«, wunderte er sich.
»Ja. Ich wollte dich noch erwischen, bevor du losfährst. Du musst doch heute in die Schule, oder?«
Viktor stöhnte auf. Er konnte sich etwas Besseres vorstellen, als heute zu arbeiten. Einen Stadtbummel mit Larissa und … nein, nicht mit Larissa. Er nickte Daniela als Antwort zu.
»Hat Mama sich bei dir gemeldet?«, fragte er so beiläufig wie möglich.
Seiner Tochter schien die Frage unangenehm zu sein.
»Äh, ja … also … sie hat mich gestern Abend noch angerufen. Also … so als du gebadet hast. Aber …«
Sie verstummte und suchte nach Worten.
»Was aber?«, raunzte er sie härter als beabsichtigt an.
»Also, ich … ach Mann!«
Sie sah ihren Vater an, ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Sie hat mich gebeten, dir erst heute Morgen davon zu erzählen. Sie hat bei Tante Vera übernachtet, weil … ja, also … sie sagt, dass ihr euch gestritten habt und sie erst auch mal ein bisschen Abstand brauchte und es Tante Vera gerade auch nicht gut geht. So!«
Daniela war sichtlich erleichtert, alles gesagt zu haben. Fast trotzig hielt sie Viktors Blick stand und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Hat sie auch erzählt, warum wir uns gestritten haben?«, hakte er nach, räumte sein Geschirr in den Geschirrspüler und registrierte, dass er nicht unauffällig, sondern lauernd klang; dass er seine Wut auf Larissa nicht verbergen konnte, sondern ihm ein giftiges Zischen entfuhr, sobald es um Larissa ging.
»Nö …«, antwortete Daniela und lehnte am Türrahmen.
Er klappte den Deckel zu, drehte sich zu ihr um und lehnte sich an die Arbeitsfläche.
»Papaah?«, fragte sie gedehnt.
Er kannte diese Betonung. Sie verhieß meistens, dass seine Tochter sich mit etwas herumquälte oder etwas wollte.
»Mhh …«, signalisierte er seine Aufmerksamkeit.
»Wollt ihr euch trennen?«
»Nein«, antwortete er automatisch, wie aus einem Reflex heraus, um die Sorge und den Kummer seiner Tochter zu vertreiben.
Diese Frage begegnete ihm immer wieder. Weil die Eltern ihrer Freundinnen sich getrennt hatten, weil es in der Schule thematisiert worden war und auch, weil Larissa und er sich in nicht so guten Phasen voneinander entfernt hatten und es vor Daniela nicht verbergen konnten. Und wenn er sich sonst seiner Antwort immer sicher gewesen war, hegte er insgeheim Zweifel an seiner Aussage. Lichtscheue Zweifel, die in ihrer Existenz denen von Pilzen gleichkamen, die unbeobachtet im Dunkeln keimten und sich vermehrten.
Daniela stieß sich vom Türrahmen ab und umarmte ihn fest. Viktor war überrascht und gerührt.
»Das wäre auch schlimm«, sagte sie an seiner Brust und versetzte seinem Herzen damit einen Stich.
Beide blieben in dieser Umarmung stehen, gaben sich Halt und Wärme, ehe Viktor durch einen Blick auf die Küchenuhr feststellte, dass er zur Arbeit musste. Er löste sich.
»Ich muss los. Verdammt, ich muss los!«
Er griff nach seiner Tasche, eilte in den Flur, setzte sich auf die Treppe und zog sich seine Schuhe an.
»Papa?«
Er sah auf. Schon wieder dieser Unterton.
»Mhh …«
»David und ich wollen heute in die Stadt, Weihnachtsgeschenke kaufen und auch ein bisschen nach Klamotten sehen, in Ordnung?«
Ihre Stimme war glockenklar und honigsüß. Viktor grinste.
»Wie viel?«, fragte er und freute sich, dass Daniela sich wie immer ertappt fühlte.
»Na ja, für Oma Travemünde und Frau Hahn habe ich alles zusammen, und … also Zwanzig wären echt krass geil.«
Er schüttelte in gespielter Bestürzung den Kopf, während er sich die Schnürsenkel band, holte sein

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