1727 - Der Kristallkopf
Gucky. Er schwebte nachdenklich im Raum hin und her, stets eine Handbreit über dem Boden. Uhns Torbig und Herrea Dinah, zu deren normalem gesellschaftlichen Umgang keine Mausbiber gehörten, wechselten amüsierte Blicke. „Es ist ein Signal, ganz bestimmt. Aber was will er damit erreichen?"
„Hyzzak?"
Gucky nickte.
„Daran habe ich auch gedacht. Aber was ist Hyzzak?"
„Vielleicht ist es das Abruse-Wort für Harakiri, du weißt doch, dieses Bauchaufschlitzen..."
Torbig deutete mit Gesten an, woran er dachte.
„Du denkst an Selbstmord? Hmmm..."
Gucky setzte seine schwebende Wanderung durch das Labor fort, dachte intensiv nach.
„Du mußt ein sehr guter Menschenkenner sein, nicht wahr?" fragte Herrea Dinah auf einmal.
Gucky hielt inne und blickte sie an.
„Weil ich Telepath bin?"
„Das auch, aber du hast doch viele Menschen gekannt. Sehr genau gekannt. Viel intensiver und viel besser, als ein menschlicher Psychologe es könnte. Habe ich recht? Du weißt, was Menschen denken und fühlen..."
Gucky erlaubte sich ein Lächeln.
„Trotzdem mag ich sie", antwortete er. „Und du hast recht - aber es bringt nichts. Ich versuche ununterbrochen herauszubekommen, was in diesem Geschöpf vorgeht, aber ich komme keinen Schritt weiter dabei.
Alles, was mir einfällt, sind Reaktionen von Menschen oder Galaktikern.
Aber mit diesen Mitteln ist die Abruse nicht zu fassen. Sie denkt nicht wie wir, sie fühlt nicht wie wir."
Gucky ließ sich auf den Boden sinken und pochte nachdenklich mit dem Biberschwanz auf den Boden. Wahrscheinlich ein Ilt-Gegenstück zur menschlichen Reaktion, wenn jemand unruhig mit den Fingerspitzen auf etwas trommelte.
„Hilfe!" murmelte er, in Gedanken eingesponnen. „Kommt her! Oder: Gefahr, bleibt weg!"
„Eins von den beiden, da bin ich sicher", warf Herrea Dinah ein.
Uhns Torbig stellte fest, daß sie ihr Haar offen trug, wahrscheinlich hatte sie beim Alarm keine Zeit mehr gefunden, den Knoten zu binden. Es stand ihr besser, fand er. Eigentlich war sie eine recht reizvolle Frau.
„Oder Möglichkeit drei", beendete Gucky seine Gedanken. „Achtung, Beute! Hier zuschlagen!"
Uhns Torbig schluckte. „Kann die Abruse uns orten?"
„Zur Zeit nicht, weil wir mit Überlicht fliegen", antwortete Gucky.
„Sonst schon, möchte ich vermuten. Ganz bestimmt, dann, wenn dieser Smezz sich noch einmal als lebendes Leuchtfeuer betätigt."
Unwillkürlich wanderte Uhns’ rechte Hand zum Gürtel, aber er trug zur Zeit keine Waffe. Am liebsten hätte er...
„Das ist keine Lösung", wehrte Gucky ab, ohne Torbig angeblickt zu haben. „Genauer gesagt: Das ist das Problem..."
Beschämt hob Uhns Torbig die Rechte wieder an und wußte nun nicht, wohin damit.
Gucky setzte sich mit der Bordsyntronik der MANAGA in Verbindung; auch Myles Kantor schaltete sich in das Gespräch ein. Die Ayindi kannten zwar keine wirklichen Syntroniken, aber das war in der Praxis bedeutungslos. Das Problem wurde kurz formuliert und durchgerechnet, dann konnten sich Myles und Gucky das Ergebnis anhören.
Es war knapp und eindeutig: Smezz würde das Ende dieses Fluges im Aariam-System nicht erleben. Der Zerfallprozeß - oder die absichtliche Selbstzerstörung - lief unaufhaltsam weiter. Lange vor der Landung würde von ihm nichts anderes übrigbleiben als einige Dutzend Kilo des stumpfgrauen Staubes, den Smezz unaufhörlich absonderte.
„Dieser Staub ist mit unseren Mitteln nicht zu beeinflussen", fügte Uhns Torbig hinzu. „Ich habe schon einmal überlegt, ihm diesen Staub wieder zuzuführen, vielleicht könnte er ihn brauchen. Wie eine Bluttransfusion, meine ich, gewissermaßen..."
„Smezz könnte ihn kaum für diesen Zweck brauchen", stimmte Myles Kantor zu.
„Gibt es denn keine andere Möglichkeit, ihn irgendwie wieder aufzuladen? Man könnte ihm doch Energie zuführen."
„Hmmm", machte Myles Kantor. „Naheliegend, aber sehr komplex.
Wie stellt ihr euch das vor?"
„Ganz einfach...", begann Uhns Torbig, brach im gleichen Augenblick aber ab. „Was guckt ihr so komisch..."
„Wir sind alle ein bißchen müde und reizbar, verzeih", antwortete Myles Kantor. „Versteh mich, wir alle grübeln unablässig an diesem Problem herum, die besten Köpfe, die wir haben. Und wenn dann jemand kommt und anfängt mit Ganz einfach... - vielleicht verstehst du, wie man sich dann fühlt."
Uhns Torbig nickte und grinste.
„Ziemlich gut", sagte er amüsiert. „Mir ist mein Bruder damit immer auf den Wecker gegangen.
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