1728 - Luzifers Botin
vergangenen Stunden liegen, die sie als leicht stressig empfunden hatte.
Hinzu kam das Wetter. Es war zu warm für diese Jahreszeit. Der Wind brachte die Wärme aus dem Süden mit und hatte für eine unangenehme Schwüle gesorgt.
Kate sah die Ansätze ihrer blonden Haare etwas dunkler. Ein Zeichen, dass der Schweiß sie angefeuchtet hatte.
»Eine Dusche wäre gut«, murmelte sie, während sie zugleich die Tür hinter der Rezeption aufstieß.
Ja, da brannte Licht. Es war die Stehlampe mit dem alten Pergamentschirm, die als Quelle diente. Das nahm sie nur am Rande wahr, denn es war etwas geschehen, mit dem sie beim besten Willen nicht hatte rechnen können.
Auf dem Stuhl, den sie bereits anvisiert hatte, saß eine fremde Frau…
***
Die Überraschung war bei ihr so groß, dass es ihr die Sprache verschlug und den Atem nahm.
Das war keine Täuschung, es gab die Frau wirklich. Sie saß auf dem schmalen Holzstuhl mit der recht hohen Lehne, sagte nichts und schaute Kate nur an.
Die spürte einen Kälteschauer über ihren Rücken laufen, so geschockt war sie. Ihr war sofort klar, dass etwas mit dieser Person nicht stimmte. Sie sah zwar harmlos aus, aber das war sie nicht, und Kate musste zunächst tief Atem holen, um wieder einigermaßen denken zu können.
Dabei sah die Besucherin recht harmlos aus. Das Gesicht zeigte einen leicht kindlichen Ausdruck. Die Augen waren nicht geschlossen, der Mund stand ebenfalls offen, aber nicht ein Wort der Erklärung drang aus ihm hervor.
Und dann gab es da noch die Kleidung. Darüber konnte sich Kate nur wundern. Sie sah ein grünes Oberteil, das auch zu einem Bikini hätte gehören können. Hinzu kam so etwas wie ein Umhang in der gleichen Farbe, den sich die Besucherin um ihren Körper gewickelt hatte, als wollte sie bestimmte Dinge verbergen.
Trotz des recht harmlosen Eindrucks blieb das ungute Gefühl bei Kate bestehen. Sie wäre froh gewesen, jetzt die Besitzer der Herberge an ihrer Seite zu haben, aber das blieb Wunschdenken.
»Hier bin ich«, sagte die Fremde.
»Ja, das sehe ich. Und wer sind Sie?«
»Eine Botin.«
Kate Hamilton schüttelte den Kopf. Mit diesem Begriff konnte sie nichts anfangen, und deshalb fragte sie: »Wollen Sie hier im Heim übernachten?«
»Könnte ich das denn?«
Kate hob ihre Schultern. »Das weiß ich nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Im Prinzip schon. Ich weiß nur nicht, was die Besitzer dazu sagen würden.«
»Müssen die denn gefragt werden?«
»Im Prinzip nicht. Nur haben wir schon offiziell geschlossen. Wir achten noch auf Traditionen.«
»Aber es sind Gäste hier?«
»Ja, Schüler.«
Jamila lächelte. »Stimmt. Ich habe sie gerochen. Sie liegen in der Nähe und schlafen.«
Kate Hamilton begriff immer weniger. »Wie kommen Sie darauf? Und – wer sind Sie überhaupt?«
»Ich heiße Jamila.«
»Aha. Müsste ich Sie kennen?«
»Nein, das musst du nicht. Ich habe auch nicht mit dir gerechnet, wenn ich ehrlich sein soll.«
Es wurde immer verworrener. Kate ging davon aus, dass der Ausdruck und das Aussehen der Besucherin täuschte. Bisher hatte sie noch nicht gesagt, was sie eigentlich hier wollte, und danach fragte Kate.
»Bitte, sagen Sie mir endlich, weshalb Sie gekommen sind und was Sie hier wollen.«
»Unter anderem dich.«
Kate lachte. »Was soll das denn nun wieder?«
»Ganz einfach, meine Liebe. Zuerst werde ich dich töten, und dann nehme ich mir die Kinder vor. Und zwar alle…«
***
Jetzt war es heraus. Kate hatte jedes Wort verstanden, doch ihr Gehirn weigerte sich, es zu akzeptieren. Sie hielt es für einen Witz, der ihr Angst einjagen sollte. Sie hatte auch keine Waffe bei der Besucherin gesehen, und dennoch erdreistete sie sich, ihr so etwas zu sagen.
Kate spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, und sie sagte: »Wenn das ein Witz sein soll, dann finde ich, dass es kein besonders guter ist.«
»Ja, das kann ich nachvollziehen. Aber es ist kein Witz gewesen. Ich hasse Witze, ich komme auch ohne sie an mein Ziel. Und du stehst auf meiner Liste. Ich muss für die Welt ein Zeichen setzen. So will es meine Mutter, und ich darf sie nicht enttäuschen. Deshalb wirst du zuerst sterben, bevor ich mich um die Kinder kümmere. Sie alle werden sterben, und die Seelen gehören uns…«
Kate Hamilton glaubte, eine Verrückte vor sich zu haben. Was sie hier gehört hatte, wollte sie nicht glauben, und dennoch litt sie unter einer starken Angst, die ihr den Schweiß aus den Poren trieb.
Sie riss sich zusammen. Es
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