1730 - Das Schlangengrab
so, und das akzeptieren wir auch.«
Bill nahm die Erklärung zur Kenntnis, ohne einen Kommentar abzugeben. Er richtete sein Augenmerk auf die Schlange, die zwischen den beiden in der Luft schwebte und einen goldenen Körper hatte. Das rechte Auge trat besonders hervor, während die aus dem Mund züngelnde Zunge kaum auffiel.
Das Auge war es, das Bill störte. Es hatte einen kalten Blick. Er wollte nicht mal von einem Schlangenblick sprechen, dieser hier war anders. So wissend, zugleich verächtlich und auch arrogant, das musste er zugeben. Er musste nicht groß raten, um zu wissen, dass die Schlange hier die Chefin war.
»Nun, Mister Conolly, sind Sie zufrieden?«
Bill schaute den Professor an. Er war nicht auf den Mund gefallen, jetzt allerdings fehlten ihm die richtigen Worte, und er gab eine allgemeine Antwort.
»Ja, es ist schon beeindruckend, was ich hier zu sehen bekomme. Bereits auf dem Foto spürt man etwas von der mystischen Kraft, die von dem Grab ausgeht.«
»Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Dieses Ausstellungsstück ist etwas Besonderes. Man kann es als Unikat bezeichnen, wird ihm mit diesem Ausdruck aber nicht gerecht. Ich würde es als ein Heiligtum ansehen, das sehr alt ist.«
»Ja, das meine ich auch.« Bill räusperte sich vor der nächsten Frage. »Darf ich wissen, woher es stammt?«
Professor Sarweti lächelte. »Das dürfen Sie. Aus unserer Heimat, aus einem Gebiet, das in dem höchsten Gebirge der Welt liegt, dem Himalaja. Da hat man es gefunden.«
»Und geweiht ist es der Göttin Kali, denke ich.«
»Absolut richtig. Ein uraltes Kali-Bild, obwohl die Göttin selbst darauf nicht zu sehen ist. Es gibt eine Legende, die davon berichtet, dass Schlangen ihre Freunde waren. Sie haben die Göttin auch beschützt, und eine dieser wenigen Schlangen hat sie zum Schutz des Paars abgegeben. Das Denkmal erinnert an ein Grab, ja, es ist ein Grabmal für den König und die Königin, die vor vielen, vielen Jahren zu Zeiten der Götter noch regiert haben und der alten Göttin zugetan waren.«
Bill nickte. Mit leiser Stimme sagte er: »Und dieses Grabmal befindet sich hier in London.«
»Ja.«
»Wer hat es hergeholt?«
Der Professor hatte die Frage gehört. Er legte den Kopf schief und lächelte. »Es ist hier, Mister Conolly, das sollte für Sie reichen. Ein kleines Geheimnis muss bleiben.«
Bill wusste nicht, was er sagen sollte. Er legte das Bild aus der Hand und kam auf die Ausstellung zu sprechen, die in Kürze beginnen würde.
»Was, Professor, denken Sie, wie die Besucher auf dieses Grabmal reagieren werden?«
»Das weiß ich nicht genau. Viele werden fasziniert sein, das denke ich schon.«
»Gut, und was ist mit Ihren Landsleuten? Die Ausstellung hat sich bei ihnen herumgesprochen. Ich denke, dass sie in Scharen ins Museum kommen werden.«
»Davon kann man ausgehen.«
»Und man wird sie auch positiv sehen?«
Die Brauen des Professors zogen sich zusammen.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich denke, dass es einige Menschen gibt, die es als Sakrileg ansehen, dass ein so wertvolles Kulturgut aus ihrer Heimat in die Fremde geschafft worden ist.«
Sarweti schwieg. Er saß auch weiterhin in seinem Sessel, doch er war unruhiger geworden, das merkte Bill sofort. Er rutschte von einer Seite auf die andere und versuchte mit seinem Lächeln die Lage zu entschärfen.
Dann sagte er mit leiser Stimme: »Ja, es gibt Traditionalisten, die dagegen sind, das weiß ich. Und deshalb möchte ich nicht, dass dieses Schlangengrab zu früh ins Licht der Öffentlichkeit rückt, wenn Sie verstehen.«
»Jetzt schon. Wenn ich Ihre Antwort richtig interpretiere, dann komme ich auf den Gedanken, dass es unter Umständen Ärger geben könnte. Oder liege ich da falsch?«
»Nein, das liegen Sie nicht. Den Ärger befürchte ich auch.«
»Gewalt?«
Der Professor presste für einen Moment die Lippen zusammen. »Ich weiß es nicht.«
»Haben Sie Warnungen erhalten?«
»Nein, eigentlich nicht. Es passt wie gesagt nicht allen Menschen, dass sich die Augen der Fremden unser Kulturgut anschauen, aber es ist nun mal passiert, und wir werden es auch nicht ändern. Ich denke auch, dass viele meiner Landslaute froh sein werden, etwas aus ihrer Heimat zu sehen.«
Bill nickte dem Völkerkundler lächelnd zu. »Gut, wünschen wir uns, dass alles glatt läuft.«
»Und Sie schreiben Ihren Bericht.«
»Das versteht sich. Sie werden ihn schon bald lesen können. Und ich werde auch das Schlangengrab erwähnen und beschreiben, wie
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