1733 - Tempel der Unsichtbaren
tatsächlich ein hellroter Teppich im Flur, der wie ein breites Farbband wirkte.
»Sieh mal an«, sagte Jane. »Nur weiß hat ihm auch nicht gepasst.«
Hier oben war die gleiche Grundfläche vorhanden, nur unterteilt in mehrere Zimmer. Wir fanden ein geräumiges Bad, ein großes Schlafzimmer und auch andere kleine Räume, die als Gästezimmer eingeordnet werden konnten.
Und dann gab es noch etwas. Es war das Arbeitszimmer des Toten. Hier reichten die Fenster wieder von der Decke bis zum Boden. Sie boten eine Aussicht in den Garten, der in der Dunkelheit und mit seinen Laternen wie der Landeplatz für Raumschiffe wirkte.
Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Jane Collins am Fenster und blickte hinaus. Als ich sie von der Seite her anschaute, stellte ich fest, dass sie gedankenverloren wirkte.
»Denkst du an Kira Simmons?«
»Ja.«
»Und weiter?«
Jane drehte sich mir zu. Sie hob die Schultern und fragte: »Hast du einen Hinweis darauf gesehen, dass dieser Cyril Parker mal eine Partnerin gehabt und mit ihr zusammengelebt hat?«
»Bisher noch nicht.«
»Dann frage ich mich, ob sich eine Suche überhaupt lohnt.«
»Irgendwo müssen wir ja beginnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es keine Spur gibt, der auf diese Kira Simmons hinweist. Hat er dir gesagt, wie lange er mit ihr zusammen war?«
»Nein. Aber er hat von guten Abschnitten gesprochen, bis es dann auseinander ging. Er hat sie verlassen, und das hat sie nicht akzeptiert. Er ist auch nicht mehr dazu gekommen, mit mir über ihre Unsichtbarkeit zu sprechen, und deshalb weiß ich nicht, ob er über dieses Phänomen überhaupt informiert gewesen ist.«
»Wenn ich recht darüber nachdenke, kann ich mir nicht vorstellen, wie es dazu kam, dass sie unsichtbar wurde. Ich hatte ja mal Erfahrungen mit einem CIA-Agenten namens Mark Baxter. Der ist durch einen Unfall bei einem geheimen wissenschaftlichen Versuch zeitweise unsichtbar geworden.«
»Und die Simmons?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Kann ich dir nicht sagen. Ich denke mir, dass es bei ihr nicht so gewesen ist.«
»Welche Möglichkeit gibt es dann?«
»Magie?«
Jane schob die Unterlippe vor und sagte: »Das glaube ich auch. Wir haben es hier mit der Magie zu tun, und das ist genau ein Fall für dich, John.«
Ich widersprach nicht und überlegte, wo wir mit der Suche beginnen sollten. Eine Wand des rechteckigen Raums wurde von einem großen Fenster eingenommen. Ansonsten gab es hier weiße Regale, den Schreib- sowie den Arbeitstisch aus schwarzem Holz und mit Metallumrandungen an den glänzenden Füßen. Der große Flachbildschirm, die Stereo-Anlage, alles vom Feinsten. Die Lampen waren in die Holzdecke integriert und strahlten ein helles Licht ab. Man konnte das Fenster auch durch ein Rollo verdunkeln, dann hätten wir nicht wie auf dem Präsentierteller gestanden, aber darauf verzichteten wir.
Jane schaute sich bereits die Regale an. Ich wollte mir den Schreibtisch vornehmen, aber dazu kamen wir nicht. Wir hörten von unten her einen harten Schlag. So etwas wie einen Aufprall. Das Geräusch konnten wir uns erst nicht erklären. Wir schauten uns an, und Jane hob die Schultern.
Ich lief aus dem Zimmer in den Flur und warf einen Blick über das Geländer. Zu sehen war nichts, auch nichts zu hören. Nach einer Weile kehrte ich zu Jane Collins zurück, die eine Frage stellen wollte, sich aber zurückhielt, als sie sah, dass ich den Kopf schüttelte.
»Sorry, ich habe nichts gesehen.«
»Aber du hast das Geräusch gehört?«
»Sicher, ich habe mir auch meine Gedanken deswegen gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass dort unten eine Tür ins Schloss gefallen ist.«
»Wenn das stimmt, muss sie vorher geöffnet worden sein.«
»Genau.«
Jane sprach weiter und ihre Stimme klang alles andere als fröhlich. »Das kann nur bedeuten, dass jemand ins Haus gekommen ist. Er hat dann die Tür zugeschlagen, um anzukündigen, dass er präsent ist und zudem keine Angst zu haben braucht, entdeckt zu werden, weil er oder sie unsichtbar ist.«
Genau das war auch mir durch den Kopf gegangen. Nur hatte Jane es ausgesprochen, und wer in unsere Gesichter geschaut hätte, der hätte erkannt, dass wir uns beide nicht wohl fühlten.
»Dann müssen wir damit rechnen, dass sie hier ist«, stellte ich mit leiser Stimme fest.
»Und was tun wir?«
Ich wusste mir auch keinen Rat, hatte aber das unbestimmte Gefühl, dass es nicht gut war, im Hellen zu stehen. Es war sicher besser, wenn wir das Licht
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