174 - Die Katastrophe von Basajaun
er wie ein junger Gott, lieb und verständnisvoll und zärtlich. Mit dem wäre ich gern zusammengeblieben."
„Was ist daraus geworden?" fragte Coco.
„Der Krieg hat es nimmer gelitten, daß wir in Glück und Frieden sein konnten. Das ist in diesen Zeitläufen nicht möglich. Wollte Gott, daß es bald Frieden gäbe! Elf Jahre dauert der Krieg schon. Die Fürsten und Herrscher, weltliche wie geistliche, sind alle ein Pack. - Den Enno, ja, den Enno hat man als Deserteur aufgehangen, bloß weil er nicht rechtzeitig zum Gefecht zu seiner Einheit zurückkehrte. Damals habe ich vierzehn Tage lang nur geweint, Coco, und dachte, daß die Welt davon untergehen und ich auch daran sterben würde. Das wollte ich auch. Aber die Welt besteht weiter und ich halt auch."
Barbara und auch Luisa hatten schon viel erlebt. Sie waren Kinder ihrer Zeit, und sie hatten sie sich nicht ausgesucht.
Coco gewann ein besseres Verständnis für sie. Doch sie fühlte sich ihnen auch seelisch fremd, gehörte sie doch in eine andere Zeit. Dieses Gefühl der Fremdheit sollte sie während der ganzen Zeitspanne nicht verlassen, die Coco sich in jener Epoche aufhielt.
„Jetzt haben wir dir soviel von uns erzählt, jetzt berichte auch einmal über dich", verlangte Luisa. „Was hat dich an den Bodensee verschlagen?"
Coco wollte gerade eine Geschichte erfinden, als man Czersky vorm Zelt hörte. Seinen Schritten nach zu urteilen, konnte er nicht mehr nüchtern sein. Dann erschien er, stolperte über seinen eigenen Degen und rülpste.
„Na, mein Täubchen?" rief er und faßte Coco unters Kinn. „Jetzt beginnt die Nacht der Nächte." Er wandte sich an Barbara und Luisa. „Raus mit euch!"
„Wollt ihr nichts mehr essen, Herr?" fragten die beiden. Und als Czersky den Kopf schüttelte: „Wir müssen noch das Geschirr abräumen."
Die drei Frauen hatten gegessen, und Coco konnte sich über die Bewirtung im Landsknechtslager nicht beklagen.
„Schafft den Plunder morgen fort! Packt euch!"
Barbara und Luisa verschwanden. Czersky stierte Coco an. Dann erhob er sich, löste sein Koppel und warf das Degengehänge achtlos in die Ecke. Er forderte Coco auf, ihm die Stiefel ausziehen zu helfen.
„Bin ich dein Bursche?" fragte Coco schnippisch. „Lern deine Stiefel selbst auszuziehen oder hol dir jemand anders."
Czersky lief krebsrot an und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das Geschirr hüpfte.
„Soll ich dir eine langen?" schrie er. „Malefizweib, elendiges. Entweder du parierst bei mir, oder du krepierst. Ich bin der Herr hier, verstanden? - Zieh mir die Stiefel aus, ich sage es nicht noch einmal."
Dir werde ich's geben! dachte Coco, sprang in die Ecke und riß die schwere Reiterpistole aus dem Futteral an der Zeltwand. Sie richtete die Waffe auf Czersky. Er lachte bloß.
„Es ist kein Pulver auf der Pfanne, Schätzchen. Das nutzt dir gar nichts. Aber jetzt sollst du etwas erleben. Dich schlage ich grün und blau, bevor ich dich hernehme, elendes Mensch."
Als Czersky auf Coco zutappte, packte sie die Pistole am Lauf und schlug mit aller Kraft zu. Doch Czersky war auch angetrunken noch ein gefährlicher Gegner. Er hatte auf zahlreichen Schlachtfeldern um sein Leben gekämpft und nichts verlernt, obwohl er jetzt schon einige Zeit in der Etappe verbrachte.
Er fing den Schlag ab und entriß Coco die Pistole. Ein wütender Kampf entspann sich. Der Tisch stürzte um, und es gab ein Geschrei Czerskys und ein Gefluch und Gepolter. Dem Wachtposten vor Czerskys Zelt waren derlei Sitten nichts Neues. Er fragte nicht einmal, was los sei, ans Eintreten und Nachsehen dachte er schon gar nicht.
Czersky versuchte, Coco aufs Bett zu drängen. Er war größer und viel schwerer als sie. Sein Wein- und Knoblauchatem schlug ihr ins Gesicht. Der Knoblauchgeruch hätte gereicht, um drei Vampire in die Flucht zu schlagen. Coco entwand sich Czerskys Griff und warf ihn gekonnt mit einem Judowurf über die Hüfte.
Der Hauptmann krachte zu Boden. Bevor er wieder aufspringen konnte, ergriff Coco die zu Boden gefallene Weinkanne und schlug sie Czersky über den Kopf. Der zinnene Rand traf. Beim zweiten Schlag erhielt die Kanne einen Riß, beim dritten zerbrach sie.
Czersky hatte noch immer nicht genug. Er stemmte sich hoch und tappte auf Coco zu.
„Wenn ich mit dir fertig bin, gebe ich dich dem Troß. Das wirst du nicht überleben."
Immerhin war Czersky angeschlagen. Coco packte nochmals die Pistole. Diesmal war der Hauptmann zu langsam, um den Schlag
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