1745 - Die Ketzerbibel
Oder habe ihn gemacht, denn ich möchte morgen wieder zurück nach London fliegen. Und hinter wem oder was sind Sie her?«
»Ich habe es bereits gefunden.«
»Das Buch?«
»Genau. Die Ketzerbibel. Sie war verschollen. Ich habe die Aufgabe übernommen, sie zu finden.«
Glenda nickte. »Was Sie ja auch geschafft haben. Und wie geht es nun weiter?«
»Das ist ganz einfach. Ich werde sie nach Rom bringen. Dort wird man sie sich anschauen und die Texte analysieren.«
»Das ist nicht ungewöhnlich. Haben Sie denn eine Ahnung davon, was Sie in dem Buch finden werden?«
Armand senkte den Blick und hob die Schultern. »Ich habe den Text noch nicht lesen können – leider.«
Glenda war nicht davon überzeugt, dass der Mann die Wahrheit gesagt hatte. Das konnte sie ihm nicht mal verübeln. Sie hätte an seiner Stelle ähnlich gehandelt, denn hier standen sich zwei Fremde gegenüber. Aber sie gab nicht auf und fragte: »Können Sie mir keinen Überblick geben, was den Leser erwartet?«
Armand dachte nach. Er machte es sich nicht leicht, das war ihm anzusehen. Glenda ließ ihn auch in Ruhe, obwohl die Spannung in ihr ständig zunahm.
Schließlich redete der Mönch. »Wenn Sie eine andere Person gewesen wären, hätte ich geschwiegen. Aber ich weiß, woher Sie kommen, und ich werde Ihnen so etwas wie eine kleine Inhaltsangabe geben. Diese Ketzerbibel ist in einer Zeit entstanden, als Kirche und Staat noch zusammenarbeiteten. Im Positiven als auch im Negativen. Anfang des vierzehnten Jahrhunderts wurde dieses Buch geschrieben. Es gab damals die Templer, es gab den Papst, den König und deren Fusion. Sie wollten den Orden ausrotten, was sie fast geschafft haben. Nicht alle, jedoch einige Templer fielen vom Glauben ab. Sie fühlten sich verraten und wandten sich anderen Strömungen zu. Das passierte bereits, als sie sich aus dem Orient zurückzogen. Sie hatten diese für sie neue Welt kennengelernt. Sie wussten auch über die Macht der Araber Bescheid, und als einige der Templer entdeckten, dass sie keine Chance mehr hatten und auch von Europa im Stich gelassen wurden, da sorgten sie dafür, dass sie eine neue Bibel bekamen...«
Glenda hatte genau zugehört und ihre eigenen Schlüsse gezogen. Mit der nächsten Bemerkung bewies sie, dass sie tatsächlich Bescheid wusste.
»Sie haben sich auf Baphomet eingeschworen«, sprudelte es über ihre Lippen.
Armand lächelte nachsichtig. »Auch«, gab er zu. »Aber die meine ich nicht.«
»Ach.« Glenda war fast ein wenig enttäuscht. »Von wem sprechen Sie dann?«
Wieder dachte der Agent kurz nach. »Es gab eine starke Gruppe im Orient, die den Templern feindlich gegenüberstand. Die allerdings auch innerhalb ihrer eigenen Volksgruppe sehr umstritten war. Die keine Gnade kannte und auf den Namen Assassinen hörte. Assassinen bedeutet so viel wie Mörder. Das Wort stammt aus dem Französischen, und den Weg sind bestimmte Templer gegangen.«
Glenda spürte das Kribbeln in ihrem Körper. Der Name der Gruppe hatte sie aufgeschreckt. Ja, sie konnte sich unter den Assassinen etwas vorstellen. Es lag noch nicht lange zurück, da hatte John Sinclair mit ihnen zu tun gehabt. Sie waren über Jahrhunderte hinweg verschwunden gewesen, nun aber waren sie wieder ans Licht der Öffentlichkeit getreten, das hatte John Sinclair erleben müssen. Und nun wurde sie damit konfrontiert.
»Okay«, sagte sie und atmete tief durch, »ich habe verstanden. Mir sind die Assassinen nicht fremd. Ich frage mich nur, warum es Templer gibt, die sich ihnen – den Feinden – angeschlossen haben. Das ist mein Problem.«
Armand breitete die Arme aus. »Man kann von Enttäuschung sprechen. Von einer verloren gegangenen Hoffnung. Von den großen Niederlagen im Heiligen Land. Eine Bastion nach der anderen fiel den Ungläubigen in die Hände. Die Städte, die Burgen, sie wurden niedergebrannt, und die Tempelritter, die noch übrig geblieben waren, flohen. Allerdings wurden sie auch in der Alten Welt gejagt. Philipp der Schöne und der Papst hatten sich zusammengeschlossen, wobei man heute davon ausgeht, dass der Papst erpresst wurde. Es spielt auch im Prinzip keine Rolle. Damit wurde die Ketzerbibel geschrieben und im Prinzip alles das umgedreht, an das die Menschen zuvor geglaubt haben. Aus weiß wurde schwarz, aus böse wurde gut in deren Augen.«
»Ja, das kann ich nachvollziehen.«
Armand deutete auf das Buch. »Und ich möchte nicht, dass es zu einer Erneuerung kommt.«
»Das kann ich verstehen«,
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