1745 - Die Ketzerbibel
dieses Buch als eine Ketzerbibel betrachtete. Das begriff sie nicht. Eine Bibel war für sie etwas ganz anderes. Was sie hier gesehen hatte, erinnerte sie an ein medizinisches Buch, das vor einigen Hundert Jahren hergestellt worden war.
Sie akzeptierte das auch. Nur musste sie sich immer wieder fragen, was an diesem Buch oder diesem Thema so interessant war, dass Menschen dafür mordeten.
So stark sie auch darüber nachdachte, zu einem Ergebnis kam sie nicht. Jedenfalls hatte sie das Betrachten der Seiten von ihren persönlichen Problemen abgelenkt, die jetzt zurückkehrten.
Sie fragte sich, was die andere Seite unternehmen würde, um an das Buch heranzukommen. Glenda musste davon ausgehen, dass die Killer über Leichen gingen und auch auf sie keine Rücksicht nehmen würden. In der Nacht hatten sie es nicht geschafft, sie zu finden, die Suche würden sie trotzdem nicht aufgeben. Für sie lag es auf der Hand, dass die sich auch mit dem Hotel beschäftigen würden.
Glenda hatte die Vorhänge noch nicht zurückgezogen. Das tat sie jetzt, öffnete auch die Tür und betrat den kleinen Balkon mit dem verschnörkelten Gitter, das wie ein eisernes Flechtwerk wirkte und hell angestrichen war.
Es war der gleiche Blick wie immer. Nichts hatte sich verändert. Sie schaute hinab in den Garten, sah auch den Pool, um den leere Liegestühle standen, denn die Gäste waren um diese Zeit in der Regel unterwegs. Sie kehrten erst am Mittag zurück, wenn sich die Wärme in Hitze verändert hatte. Aus Erfahrung wusste sie, dass nicht viele Gäste am Vormittag im Hotel blieben.
Es war ruhig, abgesehen vom Zwitschern der Vögel. Keine menschlichen Stimmen, nur die absolute Urlaubsruhe, die Glenda an diesem Tag nicht mehr gefiel.
Was sie allerdings aufbaute, war der Kontakt mit John Sinclair und sein Versprechen, so schnell wie möglich hier in Bresson einzutreffen. Sie kannte ihn gut genug. Sicherlich würde er versuchen, sich Informationen zu holen, und das durch einen Anruf bei Father Ignatius im Vatikan. Auch sie hatte bereits darüber nachgedacht, ob sie es nicht versuchen sollte, doch sie glaubte nicht, dass man sie durchgestellt hätte. So blieb ihr einzig und allein das Warten.
Sie trat wieder zurück ins Zimmer und fragte sich, ob es richtig war, wenn sie hier blieb. Es war ja kein Versteck im eigentlichen Sinne. Auch eine abgeschlossene Tür hinderte keinen Menschen daran, in das Zimmer einzudringen, wenn er es wollte.
Glenda dachte wieder an das Gartenhaus, in dem sie einige Stunden verbracht hatte. Ein schlechtes Versteck war es nicht gewesen. Jetzt überlegte sie, ob sie nicht dort wieder abtauchen sollte. Sie fühlte sich besser als in der Nacht, und bei Tageslicht sah sowieso immer alles anders aus.
Das Buch würde sie mitnehmen, denn das Innere des kleinen Hauses bot genügend Verstecke. Der Garten begann direkt neben dem Poolbereich und war von schmalen Wegen durchzogen, die unter den Blättern der Bäume lagen.
»Ja«, flüsterte sie, »ich werde es machen.« Sie wollte auch nicht länger warten, schnappte sich die Ketzerbibel und steckte sie in eine recht geräumige Stofftasche, die sie sonst mit einem anderen Inhalt versehen mit an den Pool genommen hatte.
Als sie an der Tür war, meldete sich das Telefon. Glenda ließ die Hand von der Klinke rutschen und dachte darüber nach, ob sie abheben sollte oder nicht.
Eigentlich wäre sie gern aus dem Zimmer gegangen, dann aber dachte sie daran, dass jemand eine Nachricht für sie haben konnte. Möglicherweise sogar John Sinclair.
Deshalb ging sie zurück, hob ab, hörte jedoch keine Stimme, und dann war die Verbindung beendet.
Schweiß trat auf ihre Stirn. Das Zittern konnte sie nur mühsam unterdrücken. Da hatte sich niemand verwählt. Da hatte jemand wissen wollen, ob sie sich noch im Hotel aufhielt oder nicht. Für Glenda gab es keine andere Möglichkeit.
Deshalb war es besser, wenn sie das Zimmer so schnell wie möglich verließ und erst mal abtauchte. Sie fragte sich auch, von wo der Unbekannte angerufen hatte. Vielleicht schon im Hotel. Dieser Gedanke sorgte für einen beschleunigten Herzschlag, aber er brachte sie nicht von ihrem Plan ab.
Sie nahm wieder den Nebenausgang, trat ins Freie und atmete die klare und noch nicht so warme Luft ein. Der Pool lag in ihrer Sichtweite. Ein Angestellter des Hotels war damit beschäftigt, Blätter von der Oberfläche zu fischen. Auf Glenda achtete er nicht. Außerdem steckte in seinem Ohr ein Knopf, er hörte
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