1754 - Blutige Tränen
Exitus. Aber es gibt ja immer wieder Überraschungen.«
»Da sagen Sie was.« Ich wechselte das Thema. »Kann ich die Frau sehen?«
Der Arzt zuckte zusammen. »Ich weiß nicht, ob man Ihnen die Erlaubnis gibt. Von mir aus schon, aber ich bin nicht der Chef. Den Job hat eine Kollegin bekommen.«
***
Ich stand auf. »Dann fragen wir sie doch einfach mal.«
Auch Marc Pitol erhob sich. »Jetzt bin ich auch gespannt, ob sie es überstanden hat oder nicht...«
***
Ja, sie hatte es überstanden, und das war der Frau, die mir in dem kleinen Zimmer gegenübersaß, ebenfalls ein Rätsel. Es war die Ärztin. Sie hieß Greta Simmons und erinnerte in ihrer Fülligkeit an eine Krankenschwester aus dem Bilderbuch. Die Haare hatte sie im Nacken zu einen Knoten gebunden.
Sie sprach noch nicht, schüttelte dafür einige Male den Kopf und sagte erst nach einer Weile: »Ich habe es selbst nicht für möglich gehalten, Mister Sinclair, aber diese Person hat es überstanden, und das trotz des hohen Blutverlustes. Es ist nicht zu fassen. Als hätte sich das Blut von allein neu gebildet.«
»Wie meinen Sie das genau?«
»Als wäre es wieder in Ordnung und sogar mehr geworden. So muss man es sehen.« Sie atmete tief aus und nickte.
Ich stellte eine nächste Frage. »Und was ist mit der Wunde?«
»Die haben wir genäht. Es gab dabei keine Probleme. Alles blieb im grünen Bereich. Das ist mehr als ungewöhnlich.« Die Ärztin nickte. »Können Sie mir mehr über die Frau sagen?«
»Nein, leider nicht. Sie ist auch für mich ein Phänomen.«
»Aber Sie sind Polizist, Mister Sinclair. Sie müssen einen Verdacht gegen sie gehabt haben. Außerdem entsteht eine derartige Wunde nicht von allein.«
»Das stimmt schon. Wir werden alles noch mal nachprüfen. Für mich ist es wichtig, dass ich mit der Frau reden kann. Ich denke, dass es möglich ist – oder?«
»Ja, natürlich.« Die Ärztin stand auf. »Ich bringe Sie hin.«
»Liegt sie denn noch auf der Intensivstation?«
»Wir werden zuerst dort nachschauen.«
»Und haben Sie auch schon über eine Entlassung nachgedacht?«
Die Frau öffnete die Tür. Dabei hielt sie den Kopf gedreht und schaute mich an. »Sie werden lachen, Mister Sinclair, ich habe darüber nachgedacht und kann es nicht von der Hand weisen. Es ist komisch, aber ich kann es nicht ändern.«
Die Ärztin ging vor. Sie war nicht groß und bewegte sich mit schnellen Schritten. Ich blieb hinter ihr, und dabei dachte ich über das Phänomen Lilian Block nach. Für mich war sie keine normale Frau. Sie hatte eine besondere Affinität zum Blut. Warum und wieso, das wusste ich nicht, ich hoffte aber, dass sie den Mund aufmachen würde.
Wir erreichten den Zugang zur Intensivstation. Ich musste vor der Tür warten. Die Ärztin wollte erst nachschauen, wie weit die Patientin Fortschritte gemacht hatte.
Ich stand in der Stille des Flurs und machte mir meine Gedanken. Dieser Fall stand erst am Anfang, und ich war in ihn hineingerutscht ohne eigenes Zutun. Eigentlich war Serena diejenige welche, und auch sie sah ich als ein Phänomen an. Sie war etwas Besonderes, das stand fest, aber ich wusste nicht, wohin ihr Weg sie noch führen würde.
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als die Ärztin zurückkehrte. Sie hatte die Tür ziemlich abrupt geöffnet. Sie atmete heftig und schüttelte zudem den Kopf, als könnte sie etwas nicht begreifen.
»Was ist denn los?«
Die Frau ballte eine Hand zur Faust. »Sie ist nicht mehr da, Mister Sinclair. Ja, sie befindet sich nicht hier auf der Station. Sie hat sie verlassen.«
»Okay. Und wo ist sie?«
»In einem Krankenzimmer, das bisher leer stand. Kommen Sie bitte mit.
Wenig später öffnete die Ärztin eine Tür.
Ich wusste plötzlich, dass wir hier richtig waren. Die Frau musste nicht mal das Licht einschalten. Es brannte eine Leuchte neben dem Bett, und in ihrem Schein sahen wir die junge Frau auf dem Bett sitzen.
Lilian Block war angezogen. Sogar den grauen Mantel hatte sie wieder übergestreift. Und sie schaute uns nicht an wie eine Kranke, sondern wie ein gesunder Mensch. Zudem lag in ihrem Blick sogar etwas Herausforderndes.
Die Ärztin schüttelte den Kopf und fragte mit leiser Stimme: »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Das sehen Sie doch. Ich bin okay.«
»Und – ähm – die Wunde?«
Lilian Block lachte. Sie stand auf und breitete ihren Mantel aus. »Na, sehen Sie was?«
Das sahen wir tatsächlich nicht. Die Ärztin schüttelte den Kopf. Sie flüsterte etwas von
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