1754 - Phantome auf Schimos
nicht mehr von verborgenen Augen beobachtet zu werden. Gleichzeitig kam ein Funkruf, daß das Phantom mitten in eine Besprechung in einem Konferenzraum hineingeplatzt sei und einen so gewaltigen Radau machte, daß alle fluchtartig den Raum verlassen mußten.
„Da hörst du es, Kamhele! Es bringt den ganzen Palast durcheinander und wird mich um gute Geschäfte bringen!" klagte der Fürst. „Ah, und was noch schlimmer ist - bestimmt hat mich dieses ... Ding schon mit allen möglichen schrecklichen Krankheiten infiziert, und ich bin zu einem lange andauernden, grausamen Tod verdammt..."
Kanzler Ebbiddim verzog angewidert die wulstigen Lippen. „Wenn man mich sofort eingeweiht hätte, wäre es nicht zu dieser Begegnung gekommen", sagte er nicht ohne Schärfe in der Stimme. „Aber verspätete Vorwürfe nützen keinem. Ich werde mich nunmehr darum kümmern - allein."
Mit ausgreifenden Schritten verließ er den Raum.
*
Kamhele kauerte sich neben Jeschdeans Thronstuhl und ergriff seine fleischige, zitternde Hand.
„Das Phantom ist fort. Beruhige dich nur wieder", sagte sie.
„Ich halte das nicht mehr lange aus", flüsterte der Fürst. „Ich hab's dir noch nicht gesagt, aber das ist heute nicht die erste Heimsuchung. Bereits im Bad, als ich nur einen kleinen Moment allein war, wurde ich überfallen ..."
„Hat es dir wenigstens deutlich gemacht, was es von dir erfahren will?"
„Nein, es redet nur wirres Zeug, das ich nicht verstehe ... dann wieder droht es mir, alles mögliche mit mir anzustellen, wenn ich nicht alles sage ... Aber ich weiß doch nicht, was ich sagen soll!"
„Kanzler Ebbiddim wird mich bei der Suche unterstützen", redete die Ratgeberin beruhigend weiter. „Wir werden diesen Unsichtbaren bald haben. Er ist zu sehr von seiner Überlegenheit überzeugt, und das wird ihn dazu verleiten, Fehler zu machen."
„Ich dachte, du wolltest Ebbiddims Unterstützung nicht."
„Wir verdächtigen uns vermutlich gegenseitig, Fürst. Aber wir müssen notgedrungen zusammenarbeiten."
„Ich kann eure gegenseitige Abneigung nicht verstehen."
„Ich habe nichts gegen Ebbiddim, Jeschdean. Es liegt nicht in der Art der Sydorrier, sich von Emotionen leiten zu lassen. Zuneigung oder Abneigung kann ein Sydorrier nur einem Sydorrier gegenüber empfinden - und auch dann nur unter bestimmten Voraussetzungen. Unsere Gefühle zu zeigen oder auszudrücken ist ein sehr privater Bestandteil unseres Verhaltens. Aber es liegt sehr wohl in der Art der Sydorrier, ihrem Herrn oder ihrer Herrin vorbehaltlos zu dienen und sie vor allen Gefahren zu schützen."
Der Fürst rieb sich unglücklich die fleischige Halsfalte. „Immer wieder unterstellst du meinem Kanzler, daß er eigene Ziele verfolge, die mich in Gefahr bringen könnten. Ich kann nur sagen, daß ich bisher nichts Derartiges feststellen konnte. Ebbiddim arbeitet sehr gewissenhaft und erstattet mir regelmäßig Bericht. Ich kann an seinem Verhalten nichts Unlauteres feststellen."
„Dabei wird es auch bleiben, solange ich dir zur Seite stehe." Die Ratgeberin erhob sich. „Wenn du erlaubst, mache ich mich wieder auf die Suche nach unserem geheimnisvollen Unsichtbaren.
Das hat jetzt oberste Priorität."
4.
Flucht nach Morva Die Suche nach dem Phantom gestaltete sich schwieriger als erwartet. Die Meldungen über sein Auftauchen überschlugen sich und widersprachen sich größtenteils. Manchmal trafen Mitteilungen von völlig entgegengesetzten Orten und einem so unterschiedlichen Verhalten des Wesens ein, daß der Kanzler schließlich entnervt befahl, daß der Funk nur noch in Notfällen zu benutzen war - und wenn man absolut sicher war, das Wesen gesichtet zu haben.
Während die meisten Vornehmen die Residenz inzwischen verlassen hatten, um sich zur Abwicklung ihrer Geschäfte in ihre eigenen Häuser in Arjun oder anderswo zurückzuziehen, schien bei den Angehörigen des Hofs das Jagdfieber ausgebrochen zu sein. Nachdem das Phantom sich bisher nicht als lebensbedrohlich erwiesen hatte, verloren sie ihre zum Teil abergläubische Furcht und spornten sich gegenseitig zum Wettlauf an, wer das Wesen öfter aufstöberte und durch die weitläufigen Gänge jagte.
Phantasie und Wahrheit wechselten sich dabei ab, keiner nahm es so genau. Die Tatsache allein zählte, daß jeder die Möglichkeit hatte, dem grauen Hofalltag zu entkommen, ein aufregendes Abenteuer zu erleben und vielleicht zum Helden zu werden.
Ebbiddim bot die gesamte Palastgarde auf, die
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