1762 - Monsterliebe
es nicht. Denn wir sind auch nicht diejenigen, für die man uns halten könnte. Ich würde sagen, dass man uns gezeichnet hat und wir einem fremden Willen unterliegen, der in diesen Tagen wieder durchgekommen ist.«
Godwin zeigte ein Kopfschütteln. »Wie soll ich das denn wieder verstehen? Kommt noch eine dritte Kraft ins Spiel?«
»So ähnlich.«
»Und wie heißt sie?«
»Die Macht des Dschinns!«
Mehr sagte der Historiker nicht. Das hätte er auch nicht unbedingt gebraucht. Der Templer wusste, was ein Dschinn war. Ein Geist, manchmal war es auch der Teufel, aber ein Begriff, der aus dem Arabischen stammte und im Orient auch in den modernen Zeiten noch geläufig war.
»Gut«, sagte der Templer. »Ich habe es gehört. Aber was haben Sie mit einem Dschinn zu tun?«
»Seine Macht steckt in mir.«
Godwin setzte sich gerade hin und schüttelte den Kopf. »Und wie ist das gekommen?«
»Nicht heute«, sagte der Historiker. »Das ist viel früher geschehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber passiert ist es. Nur weiß ich nicht, wie ich aus dieser Falle herauskomme.«
»Ich begreife es nicht. Wann ist es passiert?«
»Damals bei den Kreuzzügen.«
Godwin de Salier sagte erst mal nichts. Dann meinte er: »Es hat sich angehört, als wären Sie dabei gewesen.«
Gordon King sagte nichts. Er starrte sein Gegenüber nur an. Seine Stirn hatte er in Falten gelegt, und dann gab er die Antwort mit leiser Stimme.
»Ja, ich war dabei, Alva ebenfalls. Wir beide, der Ritter und die Wahrsagerin, sind in die Fänge eines Dschinns geraten. Was dann genau passiert ist, weiß ich nicht. Nun aber, Hunderte von Jahren später, bin ich wieder da. Nur nicht als Templer, sondern als Historiker, der sich vor der Wahrheit fürchtet. Sie hat mich nicht vergessen, das kann ich Ihnen sagen. Jetzt hat sie wieder zugeschlagen. Lange genug hat sie gewartet, nun bin ich erwischt worden. Die Vergangenheit ist da. Ich erlebe wohl so etwas wie eine Wiedergeburt durch die Erinnerung.«
»Das scheint mir auch so.«
Der Historiker drückte seine Finger gegen die Schläfen. »Ich habe Probleme, ich leide und ich werde zu einem anderen Menschen, weil der Keim in mir gelegt wurde. Man kann es auch mit Alva vergleichen, sie ist ebenfalls zu einem anderen Menschen geworden. Sie hat sich verändert. Sie ist eine andere geworden, das haben Sie gesehen.«
»Wie meinen Sie das denn?«
King beugte sich vor. Seine Hände schloss er zu Fäusten. »Das ist ganz einfach. Diese Nackte, das ist ihre Zweitgestalt. Eigentlich sieht sie anders aus, und das wissen Sie.«
»Stimmt.« Godwin lächelte. Er hatte an die Person gedacht, die ihm geöffnet hatte. Vom Äußerlichen waren beide ein Unterschied wie Tag und Nacht. Auch das war nicht normal. Da mussten die Kräfte des Dschinns schon mitgemischt haben.
Es war alles recht vertrackt. Eine Lösung sah der Templer auch nicht. Aber er wollte etwas von dem Historiker wissen.
»Welche Rolle haben Sie mir dabei zugedacht?«
King sagte noch nichts. Er dachte nach. Er schluckte auch, seine Schultern zuckten, und er atmete scharf ein. Schließlich brachte er seinen Wunsch hervor.
»Befreien, Godwin. Ich will, dass Sie mich oder uns von diesem unseligen Fluch befreien. Das ist alles. Ist das zu viel verlangt?«
Godwin sagte nichts. Er wusste nicht, was er erwidern sollte. Er stand jetzt da und hatte nicht einmal gemerkt, dass er aufgestanden war. Er schaute in das Gesicht des Historikers, der noch immer saß und zu ihm aufschaute.
Der Templer deutete ein Kopfschütteln an, bevor er sprach. »Ich weiß nicht, wirklich, ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Indem Sie ihn töten.«
»Ach? Ich soll Sie...«
»Nein, nicht mich.« King ließ den Mann nicht zu Ende sprechen. »Auf keinen Fall mich. Sondern ihn.«
Godwin hatte begriffen. Dennoch wollten ihm die Worte kaum über die Lippen.
»Meinen Sie den Dschinn?«
»Genau ihn. Ich möchte, dass Sie mich von diesem Fluch befreien, mich und Alva. Ich war ein Templer, Sie sind es auch. Sie sind es heute noch, und deshalb möchte ich Sie bitten, diesen Exorzismus an mir und Alva vorzunehmen...«
***
Jetzt war es heraus, und Godwin spürte, dass das Blut aus seinem Kopf wich und er blass wurde. Er wusste im ersten Moment nicht, was er sagen sollte. Beinahe hätte er gelacht, aber er wusste, dass ihm das nichts eingebracht hätte.
»Wie stellen Sie sich das vor?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ich auch nicht.« Godwin winkte ab und ließ sich auf
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