1762 - Monsterliebe
abgegeben hatte, ob ein Mann oder eine Frau.
Dann hörte er jemanden sprechen. »Ist das Liebe?«
»Ja, Monsterliebe.«
»Warum sagst du das?«
»Sind wir beide nicht Monster?«
»Nein und ja. Wir haben es uns ausgesucht und müssen jetzt dafür die Zeche zahlen.«
»Aber zuvor will ich mehr über mich wissen.«
»Meinst du, dass er es weiß?«
»Darauf setze ich.«
Godwin hatte alles gehört, aber es war längst nicht genug, um das Rätsel zu lösen. Dafür brauchte er konkrete Antworten auf konkrete Fragen. Er war bereit, sie zu stellen.
Es ging jetzt auch nicht mehr um irgendwelche höflichen Floskeln. Jetzt musste er zur Sache gehen. Das tat er auch.
Godwin riss die Tür ganz auf, marschierte in das Zimmer und sagte mit lauter Stimme: »Jetzt möchte ich gern wissen, was das alles zu bedeuten hat.«
Eine Antwort erhielt er nicht, es hätte auch keiner reden können, denn es war niemand da. Godwin kam sich vor wie der größte Idiot der Welt...
***
Der Templer fluchte nicht oft. Diesmal schon. Da konnte er einfach nicht anders. Nachdem einige Schimpfwörter in französischer Sprache aus seinem Mund gedrungen waren, blieben die Kommentare etwas weniger drastisch.
»Verdammt, hier sind doch zwei Menschen gewesen. Ich habe ihre Stimmen gehört.«
Er drehte sich im Kreis. Langsam, weil er jedes Detail aufnehmen wollte. Er sah die alte Couch, die aber sehr groß war, eine hohe Lehne hatte und mehreren Personen Platz bot. Auch einer Frau und einem Mann, die Liebe machten.
Monsterliebe!
Jetzt erinnerte sich der Templer wieder daran, das Wort gehört zu haben, aber in welchem Zusammenhang das geschehen war, konnte er nicht sagen. Hatten sich hier zwei Monster geliebt?
Beinahe hätte er gelacht, doch hier gab es nichts zu lachen. Die Stimme dieser Alva und eine Männerstimme, zwar leiser, aber zu verstehen, und er hatte verstanden.
Es war die Stimme des Historikers gewesen, der ihn eingeladen hatte, mit dem man auch normal reden konnte, und jetzt war auf einmal das hier geschehen.
War er noch ein Mensch?
Er hatte so ausgesehen, doch es war durchaus möglich, dass er mehr war als ein Mensch. Dass aus ihm eine Kraft wuchs, die ihn zu etwas anderem machte.
Menschen und...
Ja, und was? Er wusste es nicht, und ihm kam erneut der Gedanke an die andere Seite, an die Feinde der Templer, die dafür gesorgt hatten, dass er in diese Lage geriet.
Baphomet!
Er hatte diesen Dämonen mit den Karfunkelaugen nicht vergessen. Er hatte es geschafft, genug Getreue auf seine Seite zu ziehen. Zwar hatte es seit einiger Zeit keine Kämpfe mehr mit ihnen gegeben, doch abschreiben durfte man sie nie. Sie waren plötzlich da, wenn man sie nicht erwartete.
Es konnte sein, dass er in dieses Haus gelockt worden war, um hier ohne Schutz zu sein. Dann konnte die andere Seite mit ihm tun und lassen, was sie wollte.
In Godwins Gedanken hinein erklang das Frauenlachen. Sofort stand er wieder in der Wirklichkeit. In diesem Raum hatte er nichts mehr zu suchen. Mit wenigen Schritten durcheilte er ihn und ging in den Flur. Hier war das Lachen aufgeklungen, aber zu sehen war niemand. Keine Frau, ob angezogen oder nackt, hielt sich hier auf. Aber es blieb nicht still, denn Godwin hörte Schritte, deren Echos ihn erreichten. Er war für einige Momente unsicher, bis er Gordon King sah, der ihm entgegen kam.
Der Historiker lächelte seinen Gast an, als er vor ihm stehen blieb. »Nun? Haben Sie sich zurechtgefunden?«
»Wie meinen Sie das?«
King schaute in die Runde. »Eingewöhnt. Es ist ja schon eine andere Atmosphäre als in einem normalen Haus.«
»Ja, da haben Sie recht«, erwiderte Godwin etwas spitzzüngig. »Sie ist wirklich einmalig. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Und das soll etwas heißen, denn mir ist schon einiges untergekommen.«
»Was meinen Sie denn genau?«
»Ganz einfach. Ich denke dabei an die Frau, die ich gehört und auch gesehen habe.«
Der Blick des Historikers wurde interessiert. »Eine Frau? Hier, sagen Sie?«
»Ja, wo sonst?« Jetzt lächelte auch Godwin. »Sie war sogar nackt.«
»Nein!«
Er machte das Spiel mit. »Doch, sie war nackt. Verrückt, aber wahr. Damit habe ich nicht gerechnet. Und es war nicht die Person, die Ihr Faktotum ist, wie Sie sagten.«
»Sie meinen Alva.«
»Genau die. Obwohl sich die Blonde mir als Alva vorstellte. Sie wollte mich verführen. Das alles musste ich in der kurzen Zeit erleben.«
»Aha. Und wo ist sie jetzt?«
»Verschwunden.«
Die Lippen des Historikers
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