1762 - Monsterliebe
der Sessellehne nieder. »Ich bin kein Exorzist und auch kein Fachmann für Dschinns oder Dämonen. Da muss ich passen.«
»Nicht so schnell aufgeben. Das ist zu schaffen. Ich bin zu schwach, ich kann ihn nicht aus meinem Körper vertreiben. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich es gern getan. Leider aber kann ich nichts tun. Das müssen Sie begreifen.«
»Ja, das begreife ich auch.«
»Dann bin ich zufrieden.«
»Nein, nein«, sagte Godwin, »so geht das nicht. Ich kenne mich auf dem Gebiet der Dämonen- oder der Teufelsaustreibung nicht aus. Da müssen Sie sich schon einen anderen suchen. Ich weiß, dass es Priester gibt, die sich damit beschäftigen.«
»Aber in mir steckt ein Dschinn.«
»Richtig.«
»Dagegen kann kein Priester etwas machen. Das ist unmöglich. Sie sind zu schwach.«
»Und genau das bin ich auch.«
Godwin hatte laut gesprochen und den Historiker dabei nicht aus den Augen gelassen. Er hätte ihm gern geholfen, aber es ging wirklich nicht. Er kannte sich nicht aus. Er musste passen, und darüber ärgerte er sich gewaltig.
Und er fragte sich auch, ob das, was er gehört hatte, den Tatsachen entsprach, oder ob der Historiker einiges hinzuerfunden hatte, was auch möglich war.
Im Moment sprach er nicht. Die nackte Blonde blieb verschwunden, und Godwin kam sich irgendwie deplatziert vor.
Gordon King nickte plötzlich. Dann redete er. Er sprach mit sich selbst. Es war nicht zu verstehen, was er sagte, denn er flüsterte. Manches hörte sich an wie ein Gebet.
Der Templer tat nichts. Er wartete ab. Etwas würde geschehen, davon ging er aus.
Und es tat sich was.
Der Kopf des Mannes bewegte sich ruckartig, als er an Godwin vorbeischaute. Dem gelang allerdings ein Blick in die Augen, und da wusste der Templer genau, dass sich bei ihm etwas getan hatte. Nicht äußerlich oder nur sehr wenig, sondern im Innern musste es zu einer Verwandlung gekommen sein.
King sprang hoch. Dabei stieß er zischend die Luft aus. Dann atmete er hechelnd ein, starrte de Salier an und verengte dabei die Augen.
Godwin spürte plötzlich die Feindschaft, die von dem Historiker ausging. Es war wie ein Strom, der den Templer erfasste. Er richtete sich darauf ein, von der anderen Seite attackiert zu werden, und ging sicherheitshalber einen Schritt zur Seite.
Es passierte nichts.
Aber die Veränderung setzte sich bei Gordon King fort. Aus seinem offenen Mund drang ein ungewöhnlicher Laut. Es konnte ein Schrei sein, aber auch so etwas wie eine Zustimmung. Dann fuhr er herum.
Godwin sah die blutunterlaufenen Augen des anderen. Schweiß rann über Stirn und Wangen. Er schien unter einem wahnsinnigen Stress zu leiden.
Der Templerführer wollte ihn ansprechen und dabei versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen, doch dazu kam er nicht mehr, denn Gordon King warf sich mit einer schnellen Bewegung herum und hatte nun genügend Platz zum Laufen.
Er trat die Flucht an!
Anders war sein Verhalten für Godwin nicht zu beschreiben. Er wollte einfach nicht mehr. Er wollte weg, und aus seinem Mund drangen Geräusche, die ein Schreien und zugleich ein Fluchen waren.
Der Templer schaute ihm nach. Er nahm nicht die Verfolgung auf, aber er wollte wissen, wohin der Historiker verschwand. Ob er im Haus blieb oder ob er die Kälte draußen vorzog.
Er blieb zunächst im Haus, denn niemand riss die Eingangstür auf, um aus dem Haus zu laufen.
Dann war er weg.
Godwin aber stand zwischen den beiden Sesseln, schaute dem Spiel der Flammen im Kamin zu und konnte noch immer nicht fassen, was er erlebt hatte.
Dieses Spiel war schlecht zu durchschauen. Darüber ärgerte er sich.
Godwin kam sich vor wie ein Fremdkörper in diesem Haus. Er wusste nicht, wohin der Historiker gelaufen war. Das Haus war groß. Es gab genügend Zimmer, die ihm ein Versteck boten.
Er musste nicht lange nachdenken, um einen Plan zu fassen. Verschwinden wollte er aus dem Haus nicht. Zudem wusste er, dass er für den Professor sehr wichtig war. Er wurde in seiner Eigenschaft als Templer gebraucht, um den Dschinn aus dem Körper des Historikers zu vertreiben. Aber wie?
Der Templer dachte daran, dass er der falsche Mann für diese Aufgabe war. Das mussten andere übernehmen. Spezialisten, die dafür ausgebildet waren. Sie kannte er nicht. Aber sein Freund John Sinclair würde sie kennen, und ihn wollte er erreichen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er ihm zur Seite stehen musste.
Bevor er irgendetwas tat, lauschte er. Es war nichts zu hören, was auf eine
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