1769 - Wenn Tote wieder da sind...
war es uns auch möglich, die Steine zu sehen, die zwischen dem Grün lagen. Es waren Steine, die flach auf dem Boden lagen und andere wiederum, die aufrecht standen. Nicht immer gerade, viele von ihnen auch schief.
Ich nickte Glenda zu. »Siehst du die Steine?«
»Klar.«
»Und?«
Sie lachte leise auf. »Ist doch klar, John. Das sind Grabsteine. Ob alte oder neue, das weiß ich nicht. Jedenfalls sind es für mich Grabsteine.«
»Sehr gut.«
»Und was schließt du daraus?« Sie gab sich selbst die Antwort. »Ganz einfach, John, wir befinden uns hier auf einem alten Friedhof.« Sie hob den Arm. »Da vorn ist das alte Leichenhaus, hier haben wir einen Friedhof, und die Leichen haben wir auch schon gesehen. Ich denke da an die Kneipe, und du kennst sie von der Bushaltestelle.«
»Ja. Das muss der Ort gewesen sein, an dem Gino Parazzi getötet worden ist. Man hat ihn dann wieder an die Stelle geschickt, an der er sein Leben ausgehaucht hat. Wie praktisch, kann man sagen. Und Buckel-Tom war im Fußboden des Pubs zu sehen. Nur hat man Gino ausgegraben, was bei Buckel-Tom nicht passiert ist.
»Alles paletti, John. Nur wissen wir nicht, ob dieser Buckel-Tom auch mit Würmern gefüllt war.«
»Ich denke schon. Allerdings interessiert mich mehr die Frage, wo er jetzt steckt.«
»Der wandert unter der Erde umher.«
»Kann auch sein.« Ich schüttelte den Kopf. »Möglich ist wirklich alles. Aber jetzt werde ich etwas anderes machen. Ich habe versprochen, Tanner anzurufen, und das werde ich jetzt tun.«
»Meinetwegen.«
Ich hatte eine alte Bank entdeckt. Zu ihr gingen wir, reinigten die Sitzfläche von alten Blättern, dann ließen wir uns darauf nieder. Das Leichenhaus und auch das kleinere befanden sich in unserem Blickfeld.
Wir wussten Bescheid, was hier ablief. Dass hier Menschen ernährt wurden, dass hier welche schlafen konnten, wenn es draußen zu kalt war, das alles wussten wir.
Aber es blieb Theorie. Es kam kein bedauernswerter Mensch, der sich etwas abholen wollte. Es blieb ruhig, und wir waren weiterhin die einzigen Personen in der Nähe.
Tanner hatte Nachtschicht gehabt. Er gehörte zu den Menschen, die nicht viel Schlaf brauchten. Wie ich ihn einschätzte, war er nach einer Ruhepause schon wieder auf den Beinen. Aber nicht er hob ab, sondern seine Frau.
»Hallo, Mrs Tanner. John Sinclair hier.«
»Aaah – Sie.« Sie schnappte nach Luft. »Wir haben ja lange nicht mehr geplaudert.«
»Das ist wohl wahr. Wie geht es Ihnen?«
»Gut. Ich kann nicht klagen. Man wird zwar immer älter, aber trotzdem kann ich nicht klagen.«
»Ist denn Ihr Mann schon wieder auf den Beinen?«
»Ja, Mister Sinclair, ich denke, dass ich ihn schon gehört habe. Aber ich schaue mal nach.«
»Gut.«
Ich wartete und hörte, wie eine Tür zuschlug. Wenig später meldete sich Tanners Frau erneut.
»Es ist gleich da. Sie können warten, John.«
»Mach ich doch gern.« Ich hatte meine Beine ausgestreckt und bekam mit, dass Glenda aufstand. »Was hast du?«
»Ich vertrete mir mal die Beine.«
»Hier auf dem Grundstück?«
»Ja, wo sonst?«
»Schon gut.«
Glenda reckte sich noch mal und ließ mich allein auf der Bank zurück. Ich wartete darauf, dass Tanner sich meldete, und das tat er tatsächlich nach einem Schnauben.
»Vor dir kann man auch keine Ruhe haben. Nicht mal im Bad, meinem Meditationsraum.«
»Ach, du meinst die Brille.«
»So ungefähr.« Er senkte seine Stimme. »Ich habe meiner Frau doch gesagt, dass ich im Bad meditiere.«
»Mit oder ohne Zigarrenstummel?«
»Ohne natürlich.«
»Das ist okay.
»Und weshalb willst du mich sprechen?«
»Weil ich dich auf den neusten Stand der Ermittlungen bringen will. Das ist alles.«
»Aha. Dann bin ich ganz Ohr. Hört sich an, als hätte es etwas gegeben, das uns weiterbringt.«
»Da muss ich erst mal schauen. Aber hör gut zu.«
Ich spulte meinen Bericht ab. Tanner unterbrach mich tatsächlich nicht mit einem einzigen Wort. Er war wohl selbst überrascht, wohin uns der Fall geführt hatte.
»So weit sind wir dann«, erklärte ich und wartete auf Tanners Antwort, die nicht kam.
»Bist du noch dran?«
»Klar, ich denke nur nach, wie sich die Dinge noch entwickeln könnten. Diese Schwester Regina, John, welchen Eindruck hast du von ihr gehabt?«
»Nun ja, sie ist eine sehr starke Persönlichkeit. Das kannst du mir glauben. Die weiß sich durchzusetzen, das habe ich im Pub erlebt.«
»Aber nur dort – oder?«
»Richtig. Ein zweites Mal ist sie mir nicht
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