1776 - Blutsüchtig
kannte sie nicht. Sie hatte niemandem etwas getan, und sie war auch nie mit einem solchen Wesen in Verbindung gekommen.
Dafür jetzt, und dieser weibliche Vampir hatte noch kein Wort zu ihr gesagt. Sie starrten sich an. Das lange Schweigen empfand Laurie als belastend.
Sie wollte es brechen und musste erst mal ihren Herzschlag beruhigen, bevor sie die Kraft fand, eine Frage zu stellen.
»Warum bist du hier?«
Jetzt lauerte sie darauf, eine Antwort zu bekommen, aber die Frau in Schwarz sagte nichts. Sie verzog nur kurz die Lippen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie etwas sagte. Sie tat das mit einer kratzigen Stimme, als hätte sich in der Kehle etwas angesammelt.
»Ich habe jemanden gesucht.«
»Ach? Und wen?«
»Auch dich.«
»Wie schön. Aber was habe ich mit dir zu tun? Wir kennen uns nicht und...«
»Es stimmt, dass wir uns nicht kennen. Trotzdem haben wir vieles gemeinsam.«
Beinahe hätte Laurie gelacht. Sie riss sich im letzten Moment zusammen. Sie wollte die andere nicht provozieren. Es war besser, wenn sie sich ruhig verhielt.
»Willst du es nicht wissen?«, wurde sie gefragt.
»Doch. Aber ich kann mir nichts dergleichen vorstellen.«
»Wir haben sehr viel gemeinsam.«
»Was?« Plötzlich konnte Laurie lachen. Was sie da gehört hatte, das war schon schlimm. Sie schüttelte heftig den Kopf. Ebenso heftig wollte sie antworten, bis ihr einfiel, dass es vielleicht nicht so gut war. Sie riss sich zusammen und gab ihrer Stimme einen ruhigen Klang.
»Was sollten wir denn gemeinsam haben?«
»Den Namen!«
Die Antwort hatte nur aus zwei Wörtern bestanden, die aber hatten Laurie erschüttert. Sie stand auf der Stelle und hatte Mühe, normal Atem zu holen. Hinter ihrer Stirn tuckerte es.
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Nein, das kann nicht sein.«
»Ist der Name so selten?«, fragte die Blutsaugerin.
»Das weiß ich nicht. Aber jemand wie du kann ihn nicht tragen, das glaube ich nicht.«
»Da täuschst du dich.«
»Wir beide können nicht verwandt sein. Das kann nicht sein.« Sie trat mit dem Fuß auf. »Keinesfalls sind wir das. Ich glaube dir nicht.«
»Es stimmt aber.«
»Nein, ich...« Laurie wollte etwas sagen, doch sie schaffte es nicht.
Ihre Stimme versagte, und sie wollte auch nicht, dass sie und die Vampirin irgendetwas gemeinsam hatten – nein, das auf keinen Fall.
»Willst du nicht genau wissen, wie ich heiße?«
»Ich höre mir keine Lügen an.«
Die Wiedergängerin lachte. »Es sind keine Lügen. Ich heiße Barton. Pamela Barton, und du bist eine Verwandte von mir. Du gehörst zur Sippe wie einige andere auch noch. Aber dich habe ich ausgesucht, weil du mir am nächsten stehst. Zu dir habe ich einen Draht, verstehst du?«
»Ich aber nicht zu dir.«
»Dafür kann ich nichts. Es ist eben dein Pech. Und ich habe dich gefunden.«
Ja, das hatte sie. Doch diesen Gedanken wischte Laurie weg. Das wollte sie nicht. Keine Gemeinsamkeiten mit dieser verfluchten Person. Das durfte nicht sein. Da wollte ihr jemand etwas unterschieben.
Laurie spürte die Abwehr in sich. Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor. Dafür starrte sie die grausame Besucherin an, deren blutige Lippen ein Lächeln zeigten.
Eine Frage brannte ihr auf dem Herzen und die musste sie loswerden.
»Warum mussten die beiden Menschen hier sterben? Sie haben nichts getan, sie haben auch dir nichts getan. Ihr Tod ist so sinnlos und...«
Pamela winkte heftig ab. »Ach, hör auf zu jammern. Ich habe ihr Blut getrunken, ich brauchte es. Und anschließend habe ich sie getötet. Oder wäre es dir lieber gewesen, sie als Vampire hier im Haus zu begegnen? Hättest du daran mehr Spaß gehabt? Das kannst du ruhig sagen. Ich nehme es dir nicht mal übel.«
Laurie war geschockt, denn mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet.
Sie wollte sie kaum akzeptieren, aber nach einigem Nachdenken musste sie zugeben, dass diese Pamela sogar recht hatte. Die Müllers als Vampire herumlaufen zu sehen, das wäre furchtbar gewesen. Aber auch als Mordopfer konnte sie sich die beiden nicht vorstellen. Niemand konnte sie zurück ins Leben holen. Sie waren tot, und wahrscheinlich war dieses Schicksal besser für sie, als für immer oder lange Zeiten als Blutsauger herumzulaufen.
In der letzten Zeit hatte sich zwischen den beiden ungleichen Frauen keine Gewalt aufbauen können, dennoch war Laurie nicht zufrieden. Noch immer schwebte unsichtbar das Grauen zwischen ihnen. Die Angst war
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