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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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kollektiver Geist über sie und rief die Macht an, die sich im Abbild eines brennenden Felsens manifestierte.
    Aruula empfand ein großes Glücksgefühl. Plötzlich stand sie wieder auf eigenen Beinen. Ihr Herz schlug normal. Sie war ausgeschlafen und so stark wie früher.
    Die Finsternis war fort. Sie stand im Eingang eines weiß gekachelten Ganges. An seinem Ende ein türloser Rahmen. Er führte in einen Raum, der so strahlend hell war, dass er sie blendete…
    ***
    »Nehmen Sie doch Platz, Gnädigste…« Die rechte Hand des Mannes hinter dem weißen Marmorschreibtisch deutete auf einen kunstvoll geschnitzten Stuhl aus schneeweißem Holz.
    Seine Stimme klang angenehm.
    Die Umgebung war verwirrend. Die Tür, durch die sie gekommen war, erwies sich bei einem Blick über die Schulter als nicht mehr vorhanden. Sie war einfach weg, als wäre sie nie da gewesen!
    Es gab hier auch keine Fenster. Der Raum war groß und leer.
    Ein Saal. Außer dem weißhaarigen, weiß gekleideten Mann hinter dem Schreibtisch war niemand da.
    Aruula ignorierte den Stuhl, der außer dem Schreibtisch und dem weißen Sessel, in dem der Weißhaarige saß, das einzige Möbelstück war. Sie blieb stehen und musterte den Mann.
    Seine Kleidung war hauteng und bestand aus einem Stück.
    Er trug eine silberne Brustplatte, auf der Aruula sich spiegelte.
    Die Platte ließ ihn wie einen Ritter wirken.
    Trotz seines weißen Haars war der Mann nicht alt – aber auch nicht jung. Er war alterslos – irgendwo zwischen achtundzwanzig und achtundfünfzig. Seine Augen waren blau, grün, braun und schwarz, und sie schillerten. Sein Blick war wach und ausgeschlafen, aber alt, steinalt .
    Aruula hätte nicht sagen können, ob der Blick klug war – er wirkte jedenfalls, als wisse der Mann viel; als wandele er seit zahllosen Jahren über diesen Planeten.
    »Wer bist du?«, hörte Aruula sich fragen. Sie lauschte dem aufgeregten Pochen ihres Herzens. Sie hatte das Gefühl, dass eine äußere Kraft Einfluss auf ihren Geist nahm.
    »Ich repräsentiere die hinter allem stehende Macht«, erwiderte der Weiße Ritter . »Ich bin hier, um zu prüfen, ob du würdig bist, in meiner Legion aufzugehen und dich in der finalen Schlacht zu beweisen.«
    Aruula schüttelte den Kopf, denn sie verspürte einen leichten Schwindel. »Wo bin ich hier?« Der weiße Saal, das weiße Mobiliar, der Weißhaarige – alles war so unwirklich.
    Fast wie in einem Traum…
    Außerdem fragte sie sich, welche Sprache der Mann eigentlich sprach. Sie verstand jedes der Worte, die aus seinem Mund kamen – aber irgendwie passten sie nicht zu den Bewegungen seiner Lippen.
    Aruula wurde mit einem Frösteln bewusst, dass er kein Mensch war, sondern… ein Symbol?
    »Wo bin ich hier?« Sie wandte sich von dem Weißen Ritter ab und trat an eine makellos weiße Kachelwand. Sie war glatt und wies Fugen auf, doch auch die Fugen waren weiß wie frisch gefallener Schnee. Sie streckte eine Hand aus und berührte sie, doch sie bestand nur aus Rauch: Ihre Hand glitt hindurch.
    Aruula wich fröstelnd zurück.
    »Wenn man es genau nimmt, Gnädigste, ist alles, was uns umgibt, nur Lug und Trug, den ein großer Geist erschaffen hat«, hörte sie den Weißen Ritter gelangweilt sagen. »Die Wand hat keine Bedeutung, deswegen bringt es nichts, wenn man sie durchschreitet.«
    »Wirklich nicht?« Aruula warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. Dann trat sie entschlossen vor und ging durch die Wand.
    Die andere Seite war identisch mit der, der sie den Rücken zuwandte: Der Weiße Ritter saß in einem riesigen, weiß gekachelten Raum hinter dem marmornen Schreibtisch. Um seine Lippen spielte ein erheitertes, nicht unsympathisches Lächeln.
    »Sie können meinen Worten trauen, Gnädigste. Warum sollte ich Sie belügen?«
    Aruula hätte ihm gern gesagt, dass Menschen nicht durch Wände gehen konnten. Aber sie war gerade durch eine Wand gegangen und wollte sich nicht lächerlich machen. Sie wusste noch immer nicht, wo sie war. Sie wusste auch nicht, was sie von dem Geheimnisvollen halten sollte, der sich so verhielt, als stünde es ihm zu, über sie zu bestimmen.
    Er will mir nicht sagen, wo ich bin. Darf oder will er es nicht?
    Gehört dies schon zu dieser Prüfung? Wie kann er voraussetzen, dass ich mich überhaupt prüfen lassen will? Wer sagt ihm, dass ich dieser Legion angehören will?
    »Die Macht hat Sie gerufen, Gnädigste. Sie sind, wie viele andere Talente, aus freien Stücken gekommen.«
    In. Ihrem. Kopf.

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