1795 - Der Beißer
abzunehmen. Was ich vorhatte, das tat ich nicht gern, aber ich musste es tun, denn dieser Beißer war einfach zu wichtig für uns. Er wusste, dass er sterben sollte, aber er schaute dem Tod offen ins Gesicht.
Meine Fingerspitzen berührten schon die Beretta. Ich musste sie nur noch hervorholen, als ein anderer eingriff, und er schaffte eine völlig neue Lage.
Es war Suko.
Und er hatte seinen Stab berührt.
Dabei musste er nur ein magisches Wort sagen, was er jetzt auch tat.
»Topar!«
***
Jetzt stand die Zeit für fünf Sekunden still. Hinzu kam, dass sich jeder, der das magische Wort gehört hatte, fünf Sekunden lang nicht bewegen konnte. Abgesehen allerdings vom Träger des Stabs, also Suko.
Der Inspektor wusste, welche Verantwortung auf ihm lastete. Er konnte etwas richten, etwas in Ordnung bringen, dabei durfte er nur eines nicht: töten.
Ansonsten hatte Suko freie Bahn, und das nutzte er auch aus. Er wusste, wie schnell fünf Sekunden vorbei sein konnten, und deshalb war er so flott.
Sein Ziel war Wanda. Im Moment musste man sie als das Hauptproblem ansehen.
Er war noch nicht fit. Er stand auch nicht. Und Suko wusste, dass es länger dauern würde, bis er wieder auf den Beinen war und laufen konnte.
Er musste es anders machen.
Suko blieb nicht an seinem Platz. Er robbte so schnell wie möglich vor und sah sehr bald ein, dass er zu spät kommen würde. So blieb ihm nur eines. Er musste aus einer gewissen Distanz angreifen.
Suko zog seine Waffe.
Er riss den Arm hoch.
Dann warf er die Beretta.
Dabei hoffte er, dass die Zeit noch reichte.
Die Waffe prallte gegen Wandas Kopf, die in diesem Moment aus ihrer Starre erwachte und nicht nachvollziehen konnte, was mit ihr geschehen war. Sie war zur Seite gekippt und war noch immer dabei, zu fallen, als die Zeit wieder normal lief.
Bevor sie registrierte, was hier eigentlich passiert war, hatte Suko sie erreicht. Die Waffe hielt sie noch immer fest, aber Sekunden später nicht mehr. Da hatte Suko ihr die Waffe aus der Hand gedreht.
Wanda starrte ihn an. Sie konnte nicht sprechen. Sie war völlig von der Rolle, denn sie konnte sie nicht vorstellen, was geschehen war, als sie ihre Waffe in der Hand eines anderen sah.
»Geben Sie mir …«
»Nein, ich werde sie Ihnen nicht geben, Wanda. Ich verstehe, dass Sie den Mann hassen. Ich kann Sie auch verstehen, dass Sie ihn büßen lassen wollen. Aber für uns ist er wichtiger, er wird uns weiterhelfen können, und das ist auch in Wladimir Golenkows Sinn, nehme ich an.«
»Ja, das ist so. Wir müssen mehr über ihn erfahren, letztendlich geht es um Rasputin, und ich kann sagen, dass mit ihm nicht zu spaßen ist.«
Wanda sagte nichts. Sie schüttelte nur den Kopf, einsichtig war sie nicht.
Suko, der noch immer am Boden hockte, stand auf. Es klappte gut und Suko nickte dem Beißer zu.
»Ich denke, wir werden das gastliche Haus hier verlassen. Dann sehen wir weiter.«
»Wollt ihr mich tragen?«
»Nein, aber du kannst kriechen.«
Horvath sah aus, als wollte er noch etwas fragen, aber das interessierte nicht mehr. Er bewegte sich und kroch tatsächlich auf allen vieren der Tür entgegen …
***
Genau das war ein Bild, das auch mich faszinierte. Ihn so klein vor mir zu haben, damit hatte ich nicht gerechnet, aber der Beißer würde keine Kehle mehr aufreißen.
Die Zeit nach meinem Erwachen hatte ich gut überstanden, und jetzt hatte ich es Suko nachgetan und war ebenfalls auf die Füße gekommen.
Leider stand ich noch ein wenig wacklig. So einfach war die Benommenheit nicht abzuschütteln, aber das war jetzt egal. Für mich zählte, dass ich wieder auf den Beinen war und mich mit dem Beißer beschäftigen konnte.
Dank Suko hatten wir jetzt wieder das Kommando übernommen, und das freute mich.
Wanda weniger. Die Pflegerin war frustriert. Es war ihr anzusehen, und sie schien jede Chance nützen zu wollen, um dem Beißer an den Kragen zu gehen.
Das schaffte sie nicht, denn sie besaß keine Waffe mehr. Die hatte Suko.
Der Beißer war zur Tür gekrochen und kurz vor ihr liegen geblieben. Er sah aus, als wäre er zusammengebrochen. Sein Gesicht zeigte einen verzerrten Ausdruck, aber kein Laut des Schmerzes drang über seine Lippen. Für uns stellte sich die Frage, ob wir noch länger in diesem Haus bleiben sollten.
Ich war dagegen, Suko dachte ebenso und auch Wladi war froh, wenn er hier wegkam.
Nur Wanda zog noch eine Flunsch. Sie blieb auch leicht sauer, als ich versprach, dass sie bei den Verhören
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