1795 - Der Beißer
Rollstuhl zu.
Wladimir Golenkow saß noch immer in der gleichen Position. Der Kopf war weiterhin nach links gedrückt, dabei stand der Mund leicht offen und die Augen hatten einen glasigen Ausdruck angenommen. Der Atem war da, ging aber schwach.
Der Beißer schaute kurz hin, dann drehte er den Kopf, damit er die Frau anblicken konnte.
»Das hast du gut gemacht.«
»Danke.«
»Und wie?«
»Es ist mein Geheimnis. Ach ja, da gibt es noch etwas.«
»Und was?«, fragte der Beißer.
»Ich weiß ja, was du mit Golenkow vorhast. Ich habe auch nichts dagegen, aber ich möchte nicht, dass es einen Zeugen deiner Tat gibt, deshalb ist es besser, wenn wir die beiden Männer von der Botschaft draußen lassen und die Tür schließen.«
Der Beißer überlegte einige Sekunden. Dann nickte er. »Mir ist es egal, aber wenn es dir dabei besser geht, dann mach die Tür eben zu.«
»Danke, das werde ich auch.« Wanda ließ sich nicht zweimal bitten, sie ging hin und zog die Tür zu. Genau das hatte sie gewollt, das war ihr Plan gewesen.
Dann ging sie wieder zurück.
Es gab keine Veränderung. Es war wie auf einer Bühne. Jetzt konnten die Akteure ihr Spiel beginnen.
Wanda hatte ihre Sicherheit wiedergefunden. Sie baute sich vor dem Beißer auf.
»Und jetzt?«, fragte sie. »Wie willst du vorgehen?«
»Ihn töten.«
»Das weiß ich. Aber wie?«
»Du kannst zuschauen, wenn ich ihm die Kehle zerbeiße und das Blut als Fontäne in die Höhe spritzt. Ich werde es mir gönnen. Ich werde es trinken und ich werde mich am Tod des Mannes erfreuen. Er hat schon viele Probleme bereitet, aber damit muss Schluss sein, und deshalb wird er hier in der Fremde ausbluten und meine Freunde werden mit mir sehr zufrieden sein.«
»Wer sind denn deine Freunde?«
»Sie leben nicht hier. Aber wir zusammen werden bald sehr mächtig sein. Golenkow ist unser schlimmster Feind, den wir ausschalten wollen. Andere Menschen, die gegen uns sind, werden folgen. Wir sind die alte neue Macht.«
»Aha.«
Er schaute sie an. »Und was ist mit dir?«
Wanda musste leise lachen. »Sorry, aber ich weiß noch nicht genau, was mit mir ist.«
»Bist du auf unserer Seite?«
»Mal ehrlich. Ohne mich hättest du das hier nicht so perfekt vorgefunden. Das ist meine Antwort.«
»Aber du hast sie nicht niedergeschlagen – oder?«
»Nein.«
»Gut.« Er nickte und lächelte knapp. Dann warf er Wanda noch einen scharfen Blick zu, bevor er sich umdrehte, um sich mit Wladimir Golenkow zu beschäftigen.
Wanda schaute zu.
Im Rücken hatte der Beißer keine Augen. Hätte er sie gehabt, dann hätte er etwas Bestimmtes gesehen.
Das Gesicht der Frau zeigte jetzt einen anderen Ausdruck. Es zeigte noch mehr Härte. Er war verkniffen, und in den Augen lag eine eisige Kälte.
Horvath kümmerte sich um Wladimir Golenkow. Er trat dicht an den Rollstuhl heran und blickte in das Gesicht des Russen. An Wanda dachte er nicht mehr.
Die stand hinter ihm und konnte sich frei und locker bewegen. Das nutzte sie auch aus. Sie knöpfte ihre Jacke zum Teil auf, damit sie Platz hatte, um ihre Hand darunter zu schieben. Es dauerte nicht lange, da war sie wieder zu sehen. Diesmal nicht mehr leer, denn sie hielt etwas fest.
Es war eine Waffe.
Und auf den Lauf der Waffe war ein Schalldämpfer geschraubt. Die Frau sah jetzt irgendwie zufrieden aus, als sie ihre Waffe auf den Rücken des Beißers richtete.
»He, Horvath …«
»Was ist?«
»Darf ich dich was fragen?«
»Ungern, aber leg los!«
»Ich wollte dich nur fragen, ob du auch kugelfest bist …«
***
Was war das nur?
Ich wusste, dass ich am Boden lag. Ich wusste auch, dass ich ein Zischen gehört und etwas eingeatmet hatte. Dann war ich gefallen, lag noch immer am Boden und stellte mir die Frage, ob ich nun bewusstlos gewesen war oder nicht.
Ich war es nicht gewesen. Oder doch?
Da schwirrten mir zwei gegensätzliche Begriffe durch den Kopf, ich musste eine Lösung finden, und die kam mir dann auch in den Sinn. Ich war bewusstlos gewesen, aber nicht so, als hätte ich einen Schlag über den Kopf bekommen.
Und jetzt war ich wieder da!
Nein, nicht ganz. Ich fühlte mich schon paralysiert, hatte Probleme mit der Bewegung, war aber im Kopf klar. Meine Sinne spielten mit. Ich konnte normal hören und sehen, war aber trotzdem außer Gefecht gesetzt worden.
Wieso? Warum? Wer hatte das getan?
Im Moment wusste ich die Antwort nicht. Ich versuchte, mich zurückzuerinnern. Es war alles in Ordnung gewesen. Wir hatten das Haus
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