1798 - Drei Henker für Sinclair
glücklicherweise zurück geblieben, und so dauerte es nicht lange, bis ich den Platz vor dem Haus erreicht hatte und auf die Haustür schaute.
Die kannte ich nicht. Sie war eine andere Tür als die zu meiner Zeit. Meine Mutter hatte immer viel Wert auf den Erhalt der Tür gelegt, denn sie war über zweihundert Jahre alt gewesen, und man hatte sie extra eingebaut.
Die jetzige Tür war zweckmäßig.
Ich stand vor ihr, sah die Fenster, hinter denen das gelbliche Licht schimmerte, und mich überkam ein etwas wehmütiges Gefühl. Jetzt, da ich vor dem Haus stand, verspürte ich auch das Bedürfnis, es zu betreten.
Welchen Grund sollte ich angeben, wenn ich bei einem der hier arbeitenden Menschen geklingelt hatte? Über den Grund musste ich mir keine Gedanken machen. Von innen her wurde die Tür plötzlich mit einem heftigen Ruck aufgezogen.
Ich schrak zusammen und wollte schon zur Seite ausweichen, doch das war nicht nötig. Ein junger Mann im Anzug stürmte so schnell an mir vorbei, dass er mich gar nicht zur Kenntnis nahm und schnell von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Er war weg, und die Tür fiel langsam zu. Es war ein Vorteil, dass sie so langsam zufiel, so konnte ich hinlaufen und sie stoppen, bevor sie das Schloss erreichte.
Jetzt war ich drin!
Das Gefühl, das mich jetzt überkam, war schlecht zu beschreiben. Waren es die Erinnerungen an das, was hier mal abgelaufen war? Wie ich in diesem Haus gelernt und gespielt hatte? Hier hatte ich auch zum ersten Mal auf die Glotze schauen können, und hier hatte ich so manchen Stubenarrest erlebt. Auch den hatte es gegeben.
Im Flur brannte Licht. Ich konnte mich gut umschauen und stellte fest, dass nicht viel verändert worden war. Ob das gut oder schlecht war, wollte ich nicht beurteilen, es gab andere Dinge, über die ich nachdenken wollte.
War ich hier überhaupt richtig? Machte ich mir nicht selbst etwas vor? Hatte ich mich in einem Netz der Nostalgie verfangen, ohne dass ich mich davon hätte befreien können?
Da strömte mir wieder so einiges an Möglichkeiten durch den Kopf, aber das war auch alles. An den Begriff Henker dachte ich nicht mehr, meine Gedanken drehten sich nur um die Vergangenheit. Bilder blitzten vor meinen Augen auf, ohne dass ich sie gerufen hätte. Dieses Haus war wirklich wichtig für mich gewesen. Es war mir einfach nicht möglich, zur Tagesordnung überzugehen. Zum Glück war ich allein, und das blieb ich auch. Ich stand im Licht einer schwachen Beleuchtung und dachte daran, dass mein Vater früher hier oft seine Klienten empfangen hatte, bevor er mit ihnen im Büro verschwand.
Durch den Umbau waren daraus jetzt Büros geworden. Die drei Türen waren geschlossen. Ich ging an ihnen vorbei und geriet in einen Flur, der mir auch nicht unbekannt war.
Das war der Weg in den Keller!
Ich blieb stehen und schluckte ein wenig. Dann saugte ich die Luft ein, und ohne dass ich es wollte, glitten meine Gedanken wieder zurück in die frühere Zeit.
Mein Vater hatte den Keller als Archiv benutzt, und ich ging davon aus, dass er auch heute noch existierte. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Tür, hinter der die Treppe zum Keller lag.
So war es damals gewesen.
Ich hoffte, dass sich hier nichts geändert hatte, und da mich niemand sah, näherte ich mich recht schnell der Tür, die es auch heute noch gab. Nur hatte sie jemand grün gestrichen, was mir gar nicht passte. Aber das spielte keine Rolle.
Ich zögerte auch nicht länger, sondern legte eine Hand auf die Klinke und öffnete die Tür. Sie war zum Glück nicht abgeschlossen. Ich huschte hindurch und stand wieder vor der Treppe, die ich als Kind so oft nach unten gelaufen war, um für meine Mutter etwas aus den Vorratsräumen zu holen. Es fehlte nur der alte Geruch, und die Nostalgie hätte mich vollends überschwemmt.
Der alte Geruch kehrte nicht zurück. Aber die Treppe war nicht erneuert worden. Ich hatte das Licht eingeschaltet und schaute die Stufen hinab, an die sich der Kellergang anschloss.
Hier unten war es damals nie schmutzig gewesen. Man konnte die Umgebung also nicht als einen richtigen Keller ansehen, und genau das hatte sich bis heute gehalten.
Schmutz gab es nicht. Die Wände waren sauber, der Fußboden ebenfalls, und ich dachte daran, dass es hier unten verschiedene Archivräume gegeben hatte.
Ein Raum war besonders groß gewesen, und in ihm hatte ein großer Tisch gestanden.
Ob der noch da war?
Plötzlich hatte mich die Neugierde erfasst. Ein wenig Ehrgeiz war
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