18 - Das tödliche Gebot: Thriller (German Edition)
eine dieser Nataschas, wodkabeduselt, ihrem Boris die kubanische Zigarre mit einer Eintausend-Franken-Banknote angezündet hat.«
Lady Patricia Wentworths Kensingtoner Akzent und ihre Wortwahl waren so messerscharf, dass sie den Sachverhalt sezierten wie ein Skalpell. Sie war um die fünfzig, blond gefärbt, dabei überaus gepflegt und attraktiv. Ihr Ehemann, Sir Harold Wentworth, hatte Lady Pat bei seinem Ableben 150 Millionen Pfund Sterling hinterlassen. Sie war zudem eine Halbschwester des Earl of Gloucester und verfügte über ein wahrhaft enzyklopädisches Wissen über die begüterten Familien, die den Kern des alten Sankt Moritz bildeten. Sie hatte sich schon als Kind auf der Winterspielwiese des britischen Adels getummelt, und ihre Vorliebe für Klatsch war Monarch bereits eine große Hilfe gewesen. Doch nachdem sie beide an diesem Tag ihre Plätze eingenommen hatten, hatte Monarch nichts Brauchbares mehr aus ihr herausbekommen. Lady Wentworth polterte nur immerzu über die verhasste Russenbrut, die ihr den Urlaub vermieste.
Am Ende ihrer Schimpftirade fragte sie: »Ist es zu spät für eine Wette?«
»Sie finden bestimmt noch einen Abnehmer für Ihr Geld«, antwortete Monarch, der sein Augenmerk auf das Meer von Pelzen in den Reihen unter ihm richtete. Algier lag nun fast eineinhalb Jahre zurück, und niemand hatte ihn mehr angegriffen. Aber mit alten Gewohnheiten ließ sich schwer brechen, und so beobachtete Monarch die Menge ringsum sehr genau.
Etwas weiter unten stand unweit der Balustrade eine anmutige, hellhäutige Frau Ende zwanzig, mit schulterlangem Haar in der Farbe frisch geschnittenen Ingwers. Sie trug eine rote Daunenweste, einen weißen Strickpullover mit Zopfmuster, dazu eine kohlschwarze Wollhose und Stiefel.
Sie beschattete ihre Augen mit der Hand, schaute hoch und entdeckte Monarch. Sie winkte und kam die Stufen herauf. Sie gab Lady Wentworth ein Küsschen auf jede Wange. »Tantchen, du siehst hinreißend aus im Fell toter Tiere.«
Lady Wentworth lächelte. »Wie schön, dass du’s endlich aus dem Bett geschafft hast, Lacey.«
Lacey Wentworth schob sich an ihrer Tante vorbei und setzte sich auf den Platz links von Monarch. »Gott, ist das kalt hier«, sagte sie, während sie sich an ihn schmiegte.
Lady Wentworth warf ihrer Nichte einen Blick zu. »Du könntest Nerzmantel und -mütze deiner Mutter tragen, wie ich es dir angeboten habe.«
»Ich trage keinen Pelz, Tante Pat, auch nicht den von Mami«, entgegnete Lacey.
»Dann meckere nicht über die Kälte, Liebes«, sagte Lady Wentworth und streichelte den Ärmel ihres Hermelinmantels. »Mir ist wohlig warm.«
»Robin«, sagte Lacey. »Was hältst du von Frauen in Pelzmänteln?«
Monarch wollte nicht zwischen die Fronten geraten, zumal er Gast im Hause der Tante war und der neue Liebhaber ihrer Nichte.
»Kommt auf das Darunter an«, entgegnete Monarch.
»Sehr vernünftig«, fand Lady Wentworth. »Pelz, Seide und Spitze. Taktile Aphrodisiaka.«
Lacey verzog schmollend das Gesicht. »Dreht sich denn alles nur um Sex, Tante Pat?«
Lady Wentworth warf ihrer Nichte einen herablassenden Blick zu. »Selbstverständlich, Schätzchen. Was hast du denn gedacht?«
Ein Lautsprecher erwachte knisternd zum Leben. Ein Mann hieß sie auf Deutsch willkommen zu den White Turf Pferderennen, einer Tradition, die Angehörige der britischen Aristokratie eingeführt hatten, als sie im ausgehenden 19. Jahrhundert in Scharen nach Sankt Moritz geströmt waren. Eine Trompetenfanfare ertönte. Pferde und Reiter begaben sich aufs Eis, wobei sie vorsichtig über die Schneefläche trotteten und an den Tribünen vorüberparadierten.
»Nummer drei in Blau, Argent«, sagte Lady Wentworth und wedelte mit ihrem weißen Handschuh und dem Programm in die Richtung eines großen Rotschimmels. »Ich setze fünfzig Franken auf Platz.«
»Nicht auf Sieg?«, fragte Monarch.
»Sie setzt nur auf Sieg, wenn er absolut sicher ist«, informierte ihn Lacey.
»Ich bin gut darin, die Chancen zu kalkulieren«, pflichtete Lady Wentworth ihr bei.
Monarch ließ den Blick über die Pferde schweifen. Ein Brauner in Gelb mit einem weiblichen Jockey fiel ihm ins Auge, und plötzlich durchzuckte ihn ein gutes Gefühl. »Das gelbe Pferd gewinnt«, sagte Monarch. »Die Nummer acht.«
Lady Wentworth schnaubte abfällig. »Der alte Zosse?«
Ein paar Minuten später und mehrere Achtelmeilen entfernt, gingen die Pferde in Stellung. Lacey, Monarch und Lady Wentworth standen auf.
Die
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