18 - Das tödliche Gebot: Thriller (German Edition)
bewegte er sich nur noch kriechend voran, verharrte einige Momente und schob sich weiter. Zwanzig Minuten nach acht erreichte Monarch den tiefen Schatten, wo die Terrassenkante an die südliche Mauer des Turms stieß. Er rollte auf den Rücken, blinzelte in die Schneeflocken und beobachtete die Kameras. Sie hatten sich nicht bewegt.
Nachdem er sich so vergewissert hatte, raffte er sich auf und wagte mehrere Schritte auf die Stelle zu, wo die steinerne Turmfassade auf Holz traf. Er stellte sich mit dem Rücken zum Gebäude und stützte die behandschuhte Linke gegen den rauhen Felsen, spürte den griffigen Halt. Daraufhin verkeilte Monarch den rechten Unterarm im hölzernen Vorbau, zog die Beine hoch und presste die Gummisohlen seiner Kletterschuhe gegen das unregelmäßige Mauerwerk.
Er verlagerte sein Gewicht und ließ den Oberarm zehn Zentimeter höher gleiten; dann die linke Hand, dann seine Füße; diesen Bewegungsablauf wiederholte er immer und immer wieder, als klettere er einen Kamin hoch. Eine schwierige Minute später stieß Monarch mit der Oberseite des Kopfes gegen die Unterkante des Balkons im dritten Stock. Er packte mit beiden Händen den Boden des Balkons und stemmte seinen Körper in die Höhe, bis er das Balkongeländer zu fassen bekam. Er wand sich auf den Balkon, als das Außenlicht anging.
Monarch erstarrte, ungewiss, was er nun tun sollte. Seine Oberarme waren zu ausgelaugt, um noch einmal sein Gewicht zu tragen, falls er sich vom Balkonrand hängen ließ, und ein Sprung auf die Terrasse würde ihm definitiv die Beine brechen. Also blieb er, wo er war, als die Balkontür aufging, hielt den Kopf gegen die Steinmauer gepresst und klammerte sich am Geländer fest, mit frei baumelnden Füßen. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie ein kleiner Junge in Pyjama und Stiefeln in den Schnee trat, die Hände in den verschneiten Himmel hob und begeistert quietschte: » Il neige encore! Vingt centimètres, au moins, Maman! «
Monarch beherrschte acht Sprachen und hatte den Grund für die Begeisterung des Kleinen verstanden: Es hatte schon wieder zwanzig Zentimeter geschneit.
Der Junge drehte sich um und tat einen Schritt auf Monarch zu.
Da tauchte die Mutter des Jungen in der Tür auf, für den Abend gekleidet, eine lange Perlenkette um den Hals. » Claude «, schalt sie. » Viens dedans maintenant. Tu étais malade hier! «
Als er hörte, dass er hineinkommen sollte, zog der Junge einen Flunsch. Er schien durch Monarch hindurchzusehen, bevor er widerstrebend seiner Mutter gehorchte.
» Je suis en pleine forme, ce soir «, beschwerte sich der Kleine.
» Dedans «, sagte sie mit Nachdruck und wies mit dem Finger ins Zimmer. Der Junge trottete hinein.
Monarch hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde, und atmete erleichtert auf. Er wartete einige Augenblicke. Es schneite jetzt noch heftiger. Durch die dichten Flocken sah er kaum noch hinunter auf die Straße, auf der Nordseite des Hotelkomplexes, wo Fußgänger, die Köpfe gesenkt, vorübereilten. In jeder anderen Nacht wäre Monarch, wie er nun weiter nach oben kletterte, möglicherweise entdeckt worden. Doch mit der weißen Kluft im dichten Schneetreiben hätte er ebensogut ein Gespenst sein können.
Er erreichte den obersten Balkon um drei viertel neun. Monarch grätschte zu einem Flügelfenster hinüber und kramte in seiner Gürteltasche nach einem großen Saugnapf, einem Wegwerffeuerzeug und einer kleinen Gaspatrone. An der Gaspatrone befestigt war ein gebogener kupferner Schweißbrenner, der am unteren Ende mit einem schwarzen Ventilgriff versehen war. Monarch öffnete das Ventil, hielt das Feuerzeug an den Schweißbrenner, und mit einem leisen Puff schoss eine Flamme heraus, kurz, schmal und laserscharf.
Monarch setzte den Saugnapf auf. Dann beschrieb er mit der Flamme einen präzisen Bogen auf der Scheibe. Wie ein Rasiermesser, das durch Haut schnitt, drang sie durch das Dreifachglas und brachte es zum Schmelzen. Er schloss das Oval mit einem schnellen Schnitt unter dem Saugnapf und hob das Stück Glas heraus. Die Kanten glühten orange. Er legte das Oval mitsamt dem Saugnapf in den Schnee.
Monarch steckte die Hand durch das Loch und fand den Fenstergriff. Momente später glitt er über die Fensterbank und teilte die Vorhänge.
Gleich darauf stand er im Salon einer der elegantesten Suiten des Hotels. Es roch nach dem Parfum einer älteren Frau und dem Aftershave eines jüngeren Mannes. Der Durchgang zum Privataufzug der Suite befand sich
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