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18 - Eine Taube bringt den Tod

18 - Eine Taube bringt den Tod

Titel: 18 - Eine Taube bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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wählten, was waren das für Leute, mein römischer Freund?«
    Bruder Metellus starrte sie verständnislos an. »Bürger von Rom natürlich.«
    »Einzig und allein Reichtum und Wohlstand entschieden, ob ein Bürger an deiner römischen Demokratie teilhaben konnte oder nicht«, widersprach ihm Fidelma. »Und da die Wahl in Rom stattfand, hatte die ländliche Bevölkerung keinerlei Möglichkeit, ihre Stimme in die Waagschale zu werfen. Die Reichen wählten stets als Erste und getrennt von den anderen. Sowie diese Gruppe Bürger gewählt hatte, wurden ihre Stimmen ausgezählt und das Wahlergebnis kundgetan, wobei eine einfache Mehrheit genügte. Der ärmere Teil der Bevölkerung kam meist gar nicht dazu zu wählen. Die Konsuln aber wurden vom Senat gewählt, und dessen Mitglieder, allesamt Vertreter aus Patrizierfamilien, gehörten ihm lebenslänglich an. Kein Bürger durfte sich aus freien Stücken an die Versammlung wenden, er brauchte das Einverständnis der Magistrate und Tribunen; die allein hatten das Recht, Fragen von öffentlichem Interesse zu debattieren.«
    Ihre Darlegungen verblüfften Bruder Metellus. Fassungslosigkeit machte sich auf seinem Gesicht breit. Fidelma hatte das Gefühl, sich erklären zu müssen.
    »Ich habe beträchtliche Zeit in Rom verbracht und mich unter anderem mit alten und neueren Texten zu eurem Rechtswesen beschäftigt.«
    »Und du bist der Meinung, unser System aus der Kaiserzeit war besser?«
    »Keinesfalls. Beide Systeme haben ihre Mängel. Wer oder was der Vater ist und welchen Reichtum er erworben hat, darf nicht ausschlaggebend für den Beweis deiner eigenen Fähigkeiten sein.«
    »Dabei bist du selbst die Schwester eines Königs.«
    Sie zuckte mit den Schultern, als täte seine Bemerkung nichts zur Sache.
    »Vermutlich war sogar dein Vater König«, bemerkte Bruder Metellus unbeirrt.
    »Das stimmt. Failbe Flann, mein Vater, war König und starb, als ich ein kleines Kind war.«
    »Und dein Bruder folgte ihm auf den Thron. Da kann doch von Verdienst keine Rede sein.«
    Sie schüttelte vehement den Kopf.
    »Da hast du eine falsche Vorstellung davon, wie Könige bei uns gewählt werden. Bei uns geht es danach, wer der Geeignetste ist, dem Sippenverband vorzustehen und die Rolle des Königs zu übernehmen – ganz gleich, ob Mann oder Frau. Noch zu des Königs Lebzeiten tritt der derbhfine , der Sippenrat, zusammen und wählt aus seinem Kreis den Nachfolger. Das kann ein Sohn, Bruder oder Vetter sein. Mein Bruder ist der vierte Herrscher nach dem Tod unseres Vaters. Dreißig Jahre waren vergangen, ehe er gewählt wurde; inzwischen war er zum Mann gereift. Um zum König gewählt zu werden, musst du die Mannesreife erlangt haben und über eine gewisse Lebenserfahrung verfügen.«
    »Und was geschah mit den anderen – wurden die von den Nachfolgern ermordet?« Es klang ein wenig höhnisch. »So oder ähnlich hat sich das unter unseren Kaisern abgespielt. Deshalb halte ich es mehr mit dem alten System der res publica .«
    »Sie sind eines natürlichen Todes gestorben. Die Gelbe Pest hat in unseren Landen verheerend gewütet und viele Menschen dahingerafft.«
    Noch hatte sie Bruder Metellus nicht überzeugt. »Und du behauptest, selbst eine Frau könnte bei euch die Führung übernehmen?«
    »Ja.«
    »Das würde sich in Rom verbieten.«
    »Ich weiß. In deiner Republik herrschte der Mann über Frau und Familie, behandelte sie wie sein Eigentum. Selbständiges Handeln kam für die Frau nicht in Frage, der Mann war ihr Vormund. Wenigstens musste eine verheiratete Frau nicht in Zurückgezogenheit leben und durfte die Mahlzeiten gemeinsam mit der Familie im Haus einnehmen.«
    »Und so, wie ihr lebt, ist es besser?«
    »Jedenfalls anders. Würde man von mir ernstlich eine Stellungnahme verlangen, würde ich allerdings sagen, dass es die Menschen bei uns in vielerlei Hinsicht besser haben. Doch jede Gesellschaft muss ihren eigenen Weg finden, muss Glauben und Wertvorstellungen ihrer Mitglieder berücksichtigen. Wenn ich mit der Haltung Roms nicht glücklich bin, dann deswegen, weil das, was für Rom gut ist, nicht zwangsläufig für den Rest der Welt gut sein muss. Das gilt sowohl für die Vergangenheit, als die römischen Legionen ihren Willen den Völkern aufzwingen wollten, als auch für die Kirche in Rom heute, die der Menschheit vorschreiben will, wie sie sich zu verhalten hat, egal wie weit weg die Menschen von Rom leben und ohne Rücksicht auf deren Sitten und

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