18 - Eine Taube bringt den Tod
Dinge wissen, die uns nichts angehen«, stellte Eadulf fest und gähnte. »Wenn der junge Mann in Trifina verliebt ist, hat er möglicherweise dort unten die Gelegenheit nutzen wollen, ihr seine Liebe zu beteuern. Und wenn ihr das nicht behagte, dürfte sie ihn mit harschen Worten abgefertigt haben.«
Fidelma zog eine Flunsch. »Was heißt, Dinge wissen wollen, die uns nichts angehen? Manchmal verbirgt sich eben etwas dahinter. Jetzt bin ich wirklich müde. Reden wir morgen weiter.«
KAPITEL 8
Eadulf war plötzlich hellwach und wusste nicht sogleich, was ihn geweckt hatte. Das Zimmer war in fahles Licht getaucht, ein untrügliches Zeichen für einen Sonnenaufgang im Sommer, wenn sich die Sonne noch hinter einem Wolkenvorhang verbirgt. Dann nahm er eine Bewegung am Fenster wahr und bemerkte Fidelma, die dort saß und auf das Meer blickte. Sie zu sehen, beruhigte ihn.
»Stimmt etwas nicht?«, flüsterte er.
Sie schaute sich zu ihm um, gab aber ihren Wachposten auf dem Fensterbrett nicht auf.
»Seit kurz vorm Morgengrauen sitze ich hier und spähe hinaus. Manchmal gehen die Menschen um diese Stunde geschäftig zu Werke, weil sie denken, die übrige Welt schläft noch. Ich hatte gehofft, unter anderem auch das Schiff zu sehen und eine Erklärung für die Lichter von gestern Abend zu finden.«
»Und? Ist es da?«, fragte Eadulf und schwang sich von der Bettstatt.
Sie schüttelte den Kopf. »Sieh nur selbst.«
Er hastete über die bloßen Dielen und hielt Ausschau. Keine Spur von einem Schiff. Es war fort.
»Wenn du hier schon seit vor der Morgendämmerung hockst, muss das Schiff noch nachts abgelegt haben. Das heißt, Bleidbara ist unmittelbar nach …«
»Ich fürchte, die Antwort auf die sonderbaren Vorgänge liegt irgendwo da draußen … auf einer der Inseln.« Sie seufzte. »Aber das Schiff ist nirgends zu erblicken.«
»Das Banner mit der Taube flattert über der Burg hier«, widersprach Eadulf. »Also liegt die Antwort hier.«
»Wenn es so einfach wäre, hätte unser plötzliches Erscheinen unsere Gastgeber in Unruhe versetzt und sie hätten sich etwas einfallen lassen, uns möglichst schnell loszuwerden.«
Eadulf überkam ein Frösteln, und er versuchte, es auf die Morgenkühle zu schieben. Er ging zum Bett, streifte die Sandalen über und kehrte zum Fenster zurück, um das Seestück erneut sorgfältig in Augenschein zu nehmen. Nebelschleier hoben sich und gaben den Blick auf die dunklen Umrisse von Inseln frei, die wie kleine Pünktchen aus dem Wasser des Morbihan ragten. Das Meer war glatt und ruhig, und die Sonne, die zaghaft durch die Wolken lugte, warf hier und da ein Glitzern auf das Wasser. Die Sicht war verhältnismäßig gut, trotzdem war keinerlei Bewegung draußen auszumachen.
»Wir sind ja nicht einmal sicher, ob es Bleidbaras Schiff war, das uns überfallen hat«, gab er zu bedenken.
»Mich würde es eher wundern, wenn es nicht an dem wäre. Wie sonst sollte der Schiffskater zur Abtei gelangt sein?«, entgegnete sie verstimmt, bemerkte sein Zögern und fuhr fort: »Lass uns die Sache doch noch mal durchgehen. Man überfällt uns, und du bemerkst das Bild einer Taube am Bug, die wahrlich ein merkwürdiges Symbol für ein Kriegsschiff ist. Mit unserem Schiff als Beutegut im Schlepptau macht sich der Seeräuber davon. Wir entkommen, landen schließlich hier und begegnen dem herumstreunenden Schiffskater. Wir stoßen auf einen Kaufmann und seine Gefährten, alle Mann überfallen, ermordet und ausgeraubt. Einer der Erschlagenen hat in der verkrampften Hand einen Fetzen Stoff, auf dem das Symbol der Taube dargestellt ist. Wir hören, es sei das Feldzeichen des Lord auf Brilhag. Seine Krieger stellen uns zur Rede und führen uns gleichsam als Gefangene auf seine Burg, über der die Fahne mit ebendem Emblem flattert. Wir sehen ein Kriegsschiff, das unterhalb der Burg vor Anker liegt, und erfahren, es stünde im Dienst des Burgherrn und der Kapitän wäre der Befehlshaber seiner Krieger, nämlich Bleidbara. Dann sehen wir merkwürdige Lichter am Ufer und bekommen als Erklärung eine alte Legende zu hören, um uns von weiteren Nachforschungen abzuhalten. Bleibt doch nur eine logische Schlussfolgerung, oder?«
Er lächelte matt. »Du hast mich stets gelehrt, dass meist mehrere Erklärungen möglich sind.«
Sie zog die Stirn in Falten. Im Innersten spürte sie, dass Eadulf nicht recht hatte, musste aber zugleich zugeben, dass sie seiner zuletzt gemachten Bemerkung nichts entgegenzusetzen hatte.
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