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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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schlechts­it­zen­de Ja­cke und aus­ge­beul­te Ho­sen, die an den Bein­rän­dern et­was aus­ge­franst wa­ren. So stand er da, als ich lei­se die Trep­pe her­auf­kam. Ich trug kein Licht (Sie wis­sen ja, auf dem Trep­pen­ab­satz brennt im­mer ei­ne Lam­pe) und hat­te mei­ne wei­chen Haus­schu­he an, und so be­merk­te er mich nicht gleich. Bei sei­nem An­blick blieb ich jäh ste­hen. Ich hat­te über­haupt kei­ne Angst. Ko­misch – in sol­chen Fäl­len ist man meist viel ru­hi­ger, als man an­neh­men soll­te. Ich war über­rascht und in­ter­es­siert. Ich dach­te: Großer Gott, ein Geist! Seit fünf­und­zwan­zig Jah­ren ha­be ich nicht mehr an Geis­ter ge­glaubt!«
    »Hm«, mach­te Wish.
    »Ich moch­te kaum ei­ne Se­kun­de da sein, als auch er mich be­merk­te. Er fuhr er­schro­cken her­um, und ich sah das Ge­sicht ei­nes un­rei­fen jun­gen Man­nes mit flie­hen­dem Kinn und dün­nem Schnurr­bart. Se­kun­den­lang stan­den wir da und starr­ten ein­an­der an. Dann schi­en er sich sei­ner Be­ru­fung zu er­in­nern. Er rich­te­te sich ge­ra­de auf und brei­te­te die Ar­me aus, wie Ge­spens­ter es zu tun pfle­gen. So kam er auf mich zu, wo­bei er ein zag­haf­tes Bu­u­uh! aus­stieß. Nein, es war nicht be­ängs­ti­gend – über­haupt nicht. Ich hat­te gut zu Abend ge­ges­sen, hat­te ei­ne Fla­sche Sekt ge­trun­ken und, da ich ganz al­lein war, hin­ter­her noch zwei oder drei Whis­ky (viel­leicht auch vier oder fünf). Ich fühl­te mich stark wie ein Fels und war nicht mehr er­schro­cken, als ob mich ein Hund an­ge­bellt hät­te. ›Was heißt hier Buh!‹ sag­te ich barsch. ›Und was ha­ben Sie über­haupt hier zu su­chen?‹ Er zuck­te zu­rück und wie­der­hol­te matt: ›Bu­uh.‹ Ich sag­te: ›Un­sinn! Was wol­len Sie hier? Sind Sie Mit­glied?‹ Und um ihm zu zei­gen, wie we­nig ich mir aus ihm mach­te, trat ich ein­fach durch ihn hin­durch, nahm mir ei­ne Ker­ze vom Tisch und zün­de­te sie an. ›Sind Sie Mit­glied?‹ wie­der­hol­te ich und sah ihn mir von der Sei­te an.
    Er wich ein we­nig zu­rück, und sei­ne künst­li­che Po­se fiel kläg­lich in sich zu­sam­men. ›Nein, ich bin kein Mit­glied‹, mur­mel­te er dumpf. ›Ich bin ein Geist.‹
    ›Das gibt Ih­nen noch kein Recht, im Mer­maid Club aus und ein zu ge­hen. Woll­ten Sie ei­ne be­stimm­te Per­son be­su­chen?‹ Ich be­müh­te mich, die bren­nen­de Ker­ze mög­lichst ru­hig zu hal­ten, da­mit er mei­ne Furcht­lo­sig­keit nicht et­wa dem ge­nos­se­nen Whis­ky zu­schrie­be. ›Was wol­len Sie hier?‹
    Er hat­te die Hän­de sin­ken las­sen und stand ver­le­gen und nie­der­ge­schla­gen da, der Geist ei­nes schwäch­li­chen und un­be­deu­ten­den jun­gen Man­nes.
    ›Ich spu­ke‹, mur­mel­te er un­si­cher.
    ›Da­zu ha­ben Sie kein Recht.‹
    ›Ich bin ein Geist‹, ver­tei­dig­te er sich schüch­tern.
    ›Mag sein. Trotz­dem ha­ben Sie kein Recht, hier zu spu­ken. Das ist ein an­ge­se­he­ner Pri­vat-Klub. Man­che Leu­te brin­gen ge­le­gent­lich ih­re Fa­mi­lie mit. Bei Ih­rer Un­vor­sich­tig­keit könn­te es leicht vor­kom­men, daß Sie ir­gend­ein jun­ges Ding zu To­de er­schre­cken. Dar­an ha­ben Sie wohl nicht ge­dacht, wie?‹
    ›Nein, Sir‹, gab er zu.
    ›Schlimm ge­nug. Ha­ben Sie denn ir­gend­wel­che be­son­de­ren Be­zie­hun­gen zu die­sem Ort? Ich mei­ne – sind Sie viel­leicht hier er­mor­det wor­den oder so was?‹
    ›Nein, das nicht. Aber ich dach­te, weil das Haus so alt und dun­kel und ei­chen­ge­tä­felt ist …‹
    ›Das ist kei­ne Ent­schul­di­gung‹, sag­te ich fest. Und mit freund­li­cher Über­le­gen­heit füg­te ich hin­zu: ›An Ih­rer Stel­le wür­de ich nicht bis zum Hah­nen­schrei hier her­um­lun­gern – ich wür­de lie­ber gleich ver­schwin­den.‹
    Er trat ver­le­gen von ei­nem Fuß auf den an­dern. ›Die Sa­che ist die, Sir‹, be­gann er.
    ›Ich wür­de gleich ver­schwin­den‹, wie­der­hol­te ich nach­drück­lich.
    »Es ist näm­lich so, Sir – ich kann nicht.‹
    ›Sie kön­nen nicht?‹
    ›Nein, Sir. Ich muß ir­gend et­was ver­ges­sen ha­ben. Ich trei­be mich schon seit ges­tern um Mit­ter­nacht hier her­um, ver­ste­cke mich in den Schrän­ken der lee­ren Gäs­te­zim­mer und

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