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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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schrie: »Ein Ge­spenst ge­fan­gen? Ist ja toll! Er­zäh­len Sie, Clay­ton!«
    Clay­ton ver­sprach es und bat ihn, zu­vor die Tür zu schlie­ßen.
    »Nicht, daß ich Hor­cher fürch­te­te – aber ich möch­te un­ser aus­ge­zeich­ne­tes Klub-Per­so­nal nicht durch Spuk­ge­schich­ten be­un­ru­hi­gen. Die­ses al­te Haus mit den vie­len dunklen Win­keln und der Ei­chen­holz­tä­fe­lung hat oh­ne­hin et­was Un­heim­li­ches. Üb­ri­gens war das auch kein stän­di­ges Ge­spenst. Ich glau­be nicht, daß es je­mals wie­der­kom­men wird.«
    »Ach – Sie ha­ben es al­so nicht fest­ge­hal­ten?« frag­te San­der­son.
    »Ich hat­te nicht das Herz da­zu.«
    »Da bin ich aber über­rascht«, sag­te San­der­son. Und wir lach­ten.
    Clay­ton sah et­was ge­kränkt drein.
    »Es war wirk­lich ein Ge­spenst«, er­klär­te er ernst. »Ich ha­be es mit ei­ge­nen Au­gen ge­se­hen, wie ich Sie jetzt se­he. Ich scher­ze nicht. Ich spre­che ganz im Ernst.«
    San­der­son zog kräf­tig an sei­ner Pfei­fe, klapp­te ein Au­ge zu und stieß dann ei­ne dün­ne Rauch­säu­le aus, die be­red­ter als Wor­te war.
    Clay­ton über­sah den stum­men Ein­wurf.
    »Es ist das Merk­wür­digs­te, das mir in mei­nem gan­zen Le­ben pas­siert ist. Sie wis­sen, daß ich nie an Ge­spens­ter oder ähn­li­ches ge­glaubt ha­be. Nie. Und un­ver­se­hens läuft mir selbst ei­nes über den Weg. Höchst son­der­bar.«
    Ge­dan­ken­voll drück­te er sei­ne Zi­gar­re aus und brach­te ei­ne zwei­te zum Vor­schein, die er mit ei­nem selt­sa­men klei­nen Dolch ab­zu­schnei­den be­gann.
    »Ha­ben Sie mit ihm ge­spro­chen?« er­kun­dig­te sich Wish.
    »O ja. Un­ge­fähr ei­ne Stun­de lang.«
    »Ge­sprä­chig?« warf ich im glei­chen Ton tro­ckener Skep­sis ein.
    »Der ar­me Teu­fel hat­te Kum­mer«, sag­te Clay­ton und sah uns der Rei­he nach mit mil­dem Vor­wurf an.
    »Wein­te er?« frag­te je­mand.
    Clay­ton stieß bei der Er­in­ne­rung einen schwe­ren Seuf­zer aus. »Ja«, nick­te er be­küm­mert. »Der ar­me Kerl. Ja.«
    »Hat­ten Sie ihm auf den Fuß ge­tre­ten?« grins­te Evans.
    Oh­ne auf ihn zu ach­ten, fuhr Clay­ton fort: »Ich hat­te kei­ne Ah­nung, was für ein ar­mer Kerl so ein Geist sein kann.« Wie­der schi­en er sich ganz in der Er­in­ne­rung zu ver­lie­ren, wäh­rend er in sei­nen Ta­schen nach Streich­höl­zern such­te, um sei­ne Zi­gar­re an­zu­zün­den. »Ich ha­be ihn über­rum­pelt«, mur­mel­te er schließ­lich.
    Kei­ner von uns hat­te es ei­lig. Wir lie­ßen ihn sei­ne Ge­schich­te in al­ler Ru­he aus­spin­nen.
    »Ein Cha­rak­ter«, er­klär­te er, »bleibt im­mer der­sel­be – auch in un­kör­per­li­chem Zu­stand. Das ver­ges­sen wir zu leicht. Ein Mensch, der Ener­gie oder Ge­wandt­heit be­sitzt, wird auch als Geist ener­gisch und ge­wandt sein. Die meis­ten Spuk­geis­ter sind ver­mut­lich be­schränkt und ei­gen­sin­nig wie Maulesel, daß sie im­mer wie­der an den­sel­ben Ort zu­rück­keh­ren. Mein Geist war nicht von die­ser Sor­te.« Er sah uns mit ei­nem ei­gen­tüm­li­chen Lä­cheln an. »Ich weiß, ihr glaubt mir nicht. Und doch ist al­les wahr, was ich euch er­zäh­le. Schon auf den ers­ten Blick er­kann­te ich, daß er schwach war.«
    Er lehn­te sich zu­rück und un­ter­strich sei­ne Er­zäh­lung mit sei­ner Zi­gar­re.
    »Ich traf ihn drau­ßen in dem lan­gen Gang. Er stand mit dem Rücken zu mir. Ich wuß­te so­fort, daß es ein Geist war. Er war hell und durch­schei­nend – durch sei­ne Brust hin­durch konn­te ich das klei­ne Fens­ter am an­de­ren En­de des Gan­ges se­hen. Und nicht nur sei­ne äu­ße­re Er­schei­nung, son­dern auch sei­ne gan­ze Hal­tung er­schi­en mir schwach und weich. Er sah aus, als wüß­te er nicht, was er tun soll­te. Mit ei­ner Hand stütz­te er sich ge­gen die Tä­fe­lung, die an­de­re lag zit­ternd auf sei­nem Mund. So!«
    « Wie sah er aus?« frag­te San­der­son.
    »Schmäch­tig und arm­se­lig. Schma­le Schul­tern, schie­fe Hal­tung. Ein dür­rer Hals, über den sich hin­ten zwei tie­fe Ril­len hin­un­ter­zo­gen, dar­auf ein klei­ner Kopf mit strup­pi­gem Haar und ab­ste­hen­den Oh­ren. Da­bei ein ver­hält­nis­mä­ßig noch jun­ger Mann. Er trug ei­ne

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