18 Gänsehaut Stories
schrie: »Ein Gespenst gefangen? Ist ja toll! Erzählen Sie, Clayton!«
Clayton versprach es und bat ihn, zuvor die Tür zu schließen.
»Nicht, daß ich Horcher fürchtete – aber ich möchte unser ausgezeichnetes Klub-Personal nicht durch Spukgeschichten beunruhigen. Dieses alte Haus mit den vielen dunklen Winkeln und der Eichenholztäfelung hat ohnehin etwas Unheimliches. Übrigens war das auch kein ständiges Gespenst. Ich glaube nicht, daß es jemals wiederkommen wird.«
»Ach – Sie haben es also nicht festgehalten?« fragte Sanderson.
»Ich hatte nicht das Herz dazu.«
»Da bin ich aber überrascht«, sagte Sanderson. Und wir lachten.
Clayton sah etwas gekränkt drein.
»Es war wirklich ein Gespenst«, erklärte er ernst. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie ich Sie jetzt sehe. Ich scherze nicht. Ich spreche ganz im Ernst.«
Sanderson zog kräftig an seiner Pfeife, klappte ein Auge zu und stieß dann eine dünne Rauchsäule aus, die beredter als Worte war.
Clayton übersah den stummen Einwurf.
»Es ist das Merkwürdigste, das mir in meinem ganzen Leben passiert ist. Sie wissen, daß ich nie an Gespenster oder ähnliches geglaubt habe. Nie. Und unversehens läuft mir selbst eines über den Weg. Höchst sonderbar.«
Gedankenvoll drückte er seine Zigarre aus und brachte eine zweite zum Vorschein, die er mit einem seltsamen kleinen Dolch abzuschneiden begann.
»Haben Sie mit ihm gesprochen?« erkundigte sich Wish.
»O ja. Ungefähr eine Stunde lang.«
»Gesprächig?« warf ich im gleichen Ton trockener Skepsis ein.
»Der arme Teufel hatte Kummer«, sagte Clayton und sah uns der Reihe nach mit mildem Vorwurf an.
»Weinte er?« fragte jemand.
Clayton stieß bei der Erinnerung einen schweren Seufzer aus. »Ja«, nickte er bekümmert. »Der arme Kerl. Ja.«
»Hatten Sie ihm auf den Fuß getreten?« grinste Evans.
Ohne auf ihn zu achten, fuhr Clayton fort: »Ich hatte keine Ahnung, was für ein armer Kerl so ein Geist sein kann.« Wieder schien er sich ganz in der Erinnerung zu verlieren, während er in seinen Taschen nach Streichhölzern suchte, um seine Zigarre anzuzünden. »Ich habe ihn überrumpelt«, murmelte er schließlich.
Keiner von uns hatte es eilig. Wir ließen ihn seine Geschichte in aller Ruhe ausspinnen.
»Ein Charakter«, erklärte er, »bleibt immer derselbe – auch in unkörperlichem Zustand. Das vergessen wir zu leicht. Ein Mensch, der Energie oder Gewandtheit besitzt, wird auch als Geist energisch und gewandt sein. Die meisten Spukgeister sind vermutlich beschränkt und eigensinnig wie Maulesel, daß sie immer wieder an denselben Ort zurückkehren. Mein Geist war nicht von dieser Sorte.« Er sah uns mit einem eigentümlichen Lächeln an. »Ich weiß, ihr glaubt mir nicht. Und doch ist alles wahr, was ich euch erzähle. Schon auf den ersten Blick erkannte ich, daß er schwach war.«
Er lehnte sich zurück und unterstrich seine Erzählung mit seiner Zigarre.
»Ich traf ihn draußen in dem langen Gang. Er stand mit dem Rücken zu mir. Ich wußte sofort, daß es ein Geist war. Er war hell und durchscheinend – durch seine Brust hindurch konnte ich das kleine Fenster am anderen Ende des Ganges sehen. Und nicht nur seine äußere Erscheinung, sondern auch seine ganze Haltung erschien mir schwach und weich. Er sah aus, als wüßte er nicht, was er tun sollte. Mit einer Hand stützte er sich gegen die Täfelung, die andere lag zitternd auf seinem Mund. So!«
« Wie sah er aus?« fragte Sanderson.
»Schmächtig und armselig. Schmale Schultern, schiefe Haltung. Ein dürrer Hals, über den sich hinten zwei tiefe Rillen hinunterzogen, darauf ein kleiner Kopf mit struppigem Haar und abstehenden Ohren. Dabei ein verhältnismäßig noch junger Mann. Er trug eine
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