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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Käl­te. Sie hat­ten mich nicht be­rührt, und eben­so ge­wiß war ich, daß sie mich nicht ge­se­hen hat­ten. Ganz ge­gen mei­ne Be­fürch­tung war ich auch von je­nem auf dem Bo­den nach­schlei­fen­den Et­was nicht ge­streift wor­den, und man ist ja in der­lei be­droh­li­chen Mo­men­ten dem Schick­sal noch für die ge­rings­te Ver­güns­ti­gung dank­bar.
    In­des, dies Zu­rück­wei­chen der un­mit­tel­ba­ren Ge­fahr brach­te mir nicht viel Er­leich­te­rung. Vom Schau­der ge­schüt­telt stand ich in mei­ner Ecke, nicht fä­hig, auch nur um ein ge­rin­ges frei­er zu at­men. Ich fühl­te mich um kei­nen Deut we­ni­ger un­be­hag­lich und muß­te über­dies noch ge­wah­ren, daß je­nes ei­gen­tüm­li­che Licht, das mich in den Stand ge­setzt hat­te, je­der Ges­te und je­der Be­we­gung der bei­den zu fol­gen, mit ih­rem Ver­schwin­den aus dem Räu­me ge­wi­chen war. Ei­ne über­na­tür­li­che Fins­ter­nis füll­te nun das Zim­mer bis in des­sen letz­ten Win­kel, so daß ich kaum noch die Fens­ter und die Glas­tür er­ken­nen konn­te.
    Wie schon er­wähnt, war mei­ne Ver­fas­sung al­les an­de­re denn ei­ne nor­ma­le. Die Fä­hig­keit, ir­gend­wel­che Über­ra­schung zu emp­fin­den, schi­en mir, wie dies im Trau­me ge­schieht, zur Gän­ze ab­han­den ge­kom­men zu sein. Mei­ne Sin­ne re­gis­trier­ten auch das kleins­te Be­geb­nis mit un­ge­wöhn­li­cher Schär­fe, doch war ich durch­aus nicht im­stan­de, mehr als die pri­mi­tivs­ten Schlüs­se dar­aus zu zie­hen.
    Die In­dia­ner wa­ren als­bald bis zum obe­ren En­de der Trep­pe vor­ge­drun­gen und hiel­ten jetzt für einen Au­gen­blick in­ne. Ich hat­te nicht die lei­ses­te Ver­mu­tung, was sie als nächs­tes tun wür­den. Auch schie­nen sie zu zö­gern. Of­fen­bar lausch­ten sie. Dann ver­nahm ich, wie ei­ner von ih­nen, nach dem Ge­wicht sei­ner schlei­chen­den Schrit­te wohl der große, den en­gen Kor­ri­dor quer­te und die Kam­mer mir zu Häup­ten be­trat – mein ei­ge­nes, klei­nes Schlaf­ge­mach! Und wä­re je­ne ge­stalt­lo­se Mor­ge­n­angst nicht so drän­gend ge­we­sen, so hät­te ich jetzt dort oben in mei­nem Bett ge­le­gen, den rie­sen­haf­ten In­dia­ner ganz nah an mei­ner Sei­te!
    Ei­ne end­lo­se Mi­nu­te lang herrsch­te so ab­grün­di­ge Stil­le, als stün­de in der Schöp­fung die Ge­burt des Lau­tes noch be­vor. Ur­plötz­lich aber zer­riß ein lang­ge­zo­ge­ner, ent­set­zens­ge­schüt­tel­ter Schrei das nächt­li­che Schwei­gen, lief je­doch, noch ehe er sei­ne vol­le Stär­ke er­reicht hat­te, in ein er­stick­tes Rö­cheln aus. Im näm­li­chen Mo­ment ver­ließ auch der zwei­te In­dia­ner sei­nen Pos­ten am En­de des Trep­pen­auf­gangs und folg­te sei­nem Ge­fähr­ten in die Schlaf­kam­mer. Ich hör­te, wie je­nes Et­was hin­ter ihm über den Bo­den schleif­te. Dann ver­nahm ich einen dump­fen Auf­schlag, als wär’ ein schwe­rer Ge­gen­stand zu Bo­den ge­fal­len – und gleich dar­auf war al­les wie­der ru­hig wie zu­vor.
    So weit wa­ren die Din­ge ge­die­hen, als ein blen­den­der Blitz die Dun­kel­heit zer­riß, und fast gleich­zei­tig ein fürch­ter­lich kra­chen­der Don­ner das töd­li­che Schwei­gen spal­te­te: Nun ent­lud sich mit ei­nem Schlag, was als Him­mel­s­elek­tri­zi­tät sich den gan­zen Tag über in der At­mo­sphä­re auf­ge­staut hat­te! Se­kun­den­lang war je­der Ge­gen­stand in dem Zim­mer mit er­staun­li­cher Klar­heit zu er­ken­nen, ja so­gar das fei­er­li­che Spa­lier der Baum­stäm­me vor den Fens­tern konn­te ich deut­lich un­ter­schei­den. Und der Don­ner roll­te fort von Echo zu Echo, ver­lor sich grol­lend über der Wei­te des Sees und zwi­schen den fer­nen In­seln, wäh­rend der Him­mel schon sei­ne Schleu­sen ge­öff­net hat­te und sei­ne Was­ser in schäu­men­den Ka­ta­rak­ten er­den­wärts entließ.
    Die Re­gen­flut brach mit zi­schen­dem Brau­sen über den bis­lang so reg­lo­sen See her­ein, des­sen Was­ser sich nun auf­schäu­mend dem her­nie­der­stür­zen­den Ele­ment ent­ge­gen­war­fen, und pras­sel­te als ein himm­li­sches Sal­ven­feu­er in die Laub­kro­nen der Ahorn­bäu­me und auf das Dach der

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