18 Gänsehaut Stories
dennoch, als preßte der Wind sich durch ein viel zu enges Rohr.
Mein gespanntes Warten auf den nächsten Schritt der beiden ward alsbald beendet – doch einzig, um einer neuen, noch ärgeren Beunruhigung Platz zu machen: Sie hatten sich ja bislang weder durch Worte noch durch Zeichen untereinander verständigt, doch schienen sie jetzt allem Anschein nach den Raum durchqueren zu wollen, und das bedeutete, daß sie in jedem Fall den Tisch umgehen mußten. Wählten sie dazu den Gang auf meiner Seite, so würden sie nur um Spannenlänge an mir vorüberkommen! – Während ich aber diese unbehagliche Möglichkeit noch erwog, bemerkte ich, daß der (vergleichsweise) kleinere Indianer plötzlich nach oben, gegen die Zimmerdecke wies. Sein riesenhafter Gefährte folgte mit den Augen der Richtung des emporgestreckten Armes. Nun erst verstand ich! Die beiden waren im Begriff, nach oben zu gehen, und die Kammer gerade über uns, der jene Armbewegung gegolten – sie war noch gestern nacht meine Schlafkammer gewesen! Ebendort hatte mich ja am darauffolgenden Morgen jene sonderbare Platzangst überkommen, ohne die ich jetzt gewißlich schlafend in dem schmalen Bett gegenüber dem Fenster gelegen hätte!
Die beiden Indianer machten sich nun daran, in aller Lautlosigkeit den Tisch zu umgehen, um nach oben zu gelangen. Sie wählten dazu den Gang auf meiner Seite. Ihre Bewegungen waren so leise, daß ich, wären meine Nerven nicht bis zum Zerreißen angespannt gewesen, keinerlei Geräusch vernommen hätte. So aber konnte ich ihr katzengewandtes Schleichen deutlich unterscheiden. Wie zwei riesige, nachtschwarze Raubtiere kamen sie um den Tisch herum auf mich zu, und jetzt erst gewahrte ich, daß der kleinere von ihnen etwas hinter sich nachzog. In Anhörung so sachte schleifenden, an einen Kehrbesen gemahnenden Lautes gewann ich irgendwie den Eindruck, es handele sich um etwas Großes, Totes, mit ausgestreckten Schwingen, oder um den langen, sperrigen Ast einer Zeder. Doch was es auch immer sein mochte, ich konnte nicht einmal seine Umrisse erkennen und stand viel zu sehr unterm Eindruck meiner Furcht, als daß ich gewagt hätte – und wär’ ich auch Herr meiner Muskeln gewesen –, den Kopf vorzubeugen, um mich der Natur jenes Gegenstandes zu vergewissern.
Näher und näher kamen die beiden heran, und der Anführer legte seine riesige Hand auf die Tischplatte. Die Lippen klebten mir aufeinander – mein Atem schien mich verbrennen zu wollen. Es drängte mich, die Augen zu schließen, auf daß ich nicht sähe, wie die beiden nun an mir vorüberstrichen, allein, meine Lider blieben starr geöffnet und versagten mir den Dienst. Würde dies denn nimmer an mir vorübergehen? Nun schien auch aus meinen Beinen alle Empfindung gewichen, und mir war’s, als stünde ich auf zwei Stützen von Holz oder gar von Stein! Ja schlimmer noch: Mein Gleichgewichtssinn drohte auszusetzen, die Kraft, welche mich bislang aufrecht gehalten, wollte mich verlassen – kaum, daß ich noch vermochte, mich rücklings gegen die Wand zu lehnen. Etwas in mir zwang mich unwiderstehlich nach vorn, und die Angst, das Gleichgewicht vollends zu verlieren und den Indianern geradewegs in die Arme zu taumeln, verursachte mir ein an Übelkeit grenzendes Schwindelgefühl.
Indes, auch Momente, die sich zu Stunden zerdehnen, haben einmal ihr Ende, und so waren auch diese beiden Gestalten, noch ehe ich es recht wahrgenommen, an mir vorübergeglitten und hatten den Treppenaufgang zu den Schlafkammern im Oberstock erreicht. Nicht einmal eine Fingerspanne konnte uns voneinander getrennt haben, und doch hatte ich nichts gespürt als den hinterherwehenden Hauch einer ziehenden
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