18 Gänsehaut Stories
Uferfelsen verschwand. Es war an beiden Enden hoch aufgebogen und wurde von zwei Indianern gerudert. Gespannt verhielt ich auf der Stelle, um abzuwarten, ob es wohl hinter dem andern Ende der Insel wieder zum Vorschein kommen werde. Und wirklich, noch waren keine fünf Minuten verstrichen, als es neuerlich in Sicht kam.
Es befand sich jetzt nahezu in Rufweite, die auf ihren Schenkeln kauernden Indianer hielten direkt auf mich zu und kamen rasch näher.
Nie in meinem Leben habe ich rascher gepaddelt als in den nun folgenden Minuten! Indes, als ich mich umblickte, um abermals nach meinen Verfolgern Ausschau zu halten, hatten sie ihren Kurs schon wieder geändert und umrundeten wie vorher die Insel.
Die Sonne war schon im Begriff, hinter den Wäldern des Festlands zu versinken, die im Abendrot lodernden Wolken verwandelten den Spiegel des Sees in ein purpurnes Feuermeer, als ich mich zum letztenmal wandte und das große Rindenkanu mit seinen zwei im Dämmerlicht verschwimmenden Insassen noch immer die Insel umkreisen sah. Dann senkte die Dunkelheit der Nacht sich auf raschem Fittich hernieder, der See ward wieder schwarz, der Nachtwind sprang mich an und blies mir seinen Atem ins Gesicht, mir, der ich da ein letztes Kap umrundete, dessen weit in den See hinausragendes Felsmassiv alsbald beide – so Insel wie Ka nu – meinen Blicken entzog.
Die Zaubernacht in den Hochlanden
von
Honoré de Balzac
Honoré de Balzac (1799-1850), der bedeutendste französische Romancier seiner Epoche, wandte sich in seinen »Mystischen Geschichten«, aus denen die hier ausgewählte Erzählung stammt, den dunklen Seiten der menschlichen Seele zu, dem, was die deutschen Romantiker die »Nachtseite der Natur« zu bezeichn en pflegten. Vor dem Hintergrund spukhafter Ereignisse beschreibt Balzac das unheimliche Pandämonium menschlicher Leidenschaften und Triebkräfte.
»Hallowe’en, Hallowe’en!« schrien sie alle. »Das ist der Abend der heiligen Nacht, die schöne Nacht der Skelpies {2} und Fairies {3} ! Carrick, und du, Colean, kommt ihr? Alle Bauern von Carrick-Border {4} sind da. Unsere Megs und Jannies kommen auch. Wir werden guten Whisky in zinnernen Krügen bringen und schäumendes Ale und den schmackhaften Parridge {5} . Das Wetter ist schön, der Mond muß bald aufgehen; nie, Kameraden, sollen die Ruinen von Cassilis-Downans eine so heitere Gesellschaft gesehen haben.« Also sprach Jock Muirland, ein Landmann und junger Witwer. Er war, gleich den meisten schottischen Bauern, Theolog, ein wenig Dichter und ein großer Trinker, aber dabei sehr sparsam; Murdock, Will Lapraik und Com Duckat waren bei ihm. Die Unterhaltung fand in der Nähe des Dorfes Cassilis statt. Ihr wißt wahrscheinlich nicht, was der Hallowe’en ist: Es ist das die Nacht der Feen, in der Mitte des August; alle neckischen Geister tanzen dann auf der Heide, eilen über die Gefilde oder reiten auf des Mondes bleichen Strahlen. Der Hallowe’en ist der Fasching der Geister und Gnomen. In dieser Nacht gibt es keine Grotte und keine Felsen, wo nicht ein Ball und ein Fest gefeiert würde; nicht eine Blume, die nicht von dem Hauch einer Sylphide bewegt würde; keine Hausfrau, die nicht sorgsam ihre Türe verschlösse, damit der Spunkie {6} nicht das Frühstück für den folgenden Tag weghole oder seinen Freunden das Essen der Kinder opfere, welche in der Wiege nebeneinanderliegen.
Eine feierliche Nacht legte sich über die Hügel von Cassilis. Denkt euch ein bergiges Land, wellenförmig wie das Meer, dessen zahlreiche Hügel mit grünem und glänzendem Moos bedeckt sind. In der Ferne, auf einem steilen Felsen, erblickt man die Mauern des zerstörten Schlosses, dessen Kapelle das Dach fehlt,
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