18 Gänsehaut Stories
Blockhütte. Und schon im nächsten Moment erhellte ein zweiter Blitz den Himmel von Auf- und Niedergang, noch greller, noch anhaltender denn der erste, und tauchte das Zimmer urplötzlich in ein blendendes, wahrhaft schwindelerregendes Licht. Sogar draußen an den Blättern und im Gezweig konnte ich die Tropfen funkeln sehen. Mit einem Mal war auch der Wind erwacht, und noch keine Minute danach war er zum Sturm angewachsen, der nun heulend hereinbrach mit aller aufgestauten Wut eines ganzen, lastend-schwülen Nachsommertages.
Dennoch: Der Aufruhr der Lüfte vermochte nicht, auch nur den leisesten Laut, der aus der Schlafkammer herunterdrang, zu übertönen. So ward ich inne, daß während der wenigen Augenblicke tiefster Stille, welche jenem Marter- und Entsetzensschrei gefolgt waren, das Rumoren dort oben erneut begonnen hatte. Die beiden Eindringlinge waren nun dabei, den Schlafraum zu verlassen, und bewegten sich wieder auf die Treppe zu. Ein kurzes Innehalten, und sie begannen mit dem Abstieg. Und hinter ihnen polterte – ich hörte es deutlich! – jenes nachschleppende unförmige Etwas von Stufe zu Stufe. Doch es war nun viel schwerer geworden!
Ich sah dem Nahen der beiden mit einer Ungerührtheit entgegen, die schon an Apathie grenzte und ihre Erklärung nur darin zu finden vermag, daß nach Erreichen eines bestimmten Grades nervlicher Anspannung uns eine gütige Natur ihr ureigenstes Betäubungsmittel angedeihen läßt, indem sie unsere Sinne mit einer wohltätigen Empfindungslosigkeit umfängt. Allein, noch kam ja das Unheil auf mich zu – Schritt für Schritt, begleitet von dem schleifenden Geräusch der nachgezerrten Last, das von Stufe zu Stufe lauter wurde!
Schon waren die gespenstischen Gesellen auf halber Höhe der Treppe angelangt, als mich prickelnd ein neues Entsetzen durchfuhr angesichts einer weitern, grauenvollen Möglichkeit: Es war die Erwägung, daß in dem Augenblick, da diese Prozession der Schatten zum andernmal dies Zimmer beträte, ja vielleicht sogar, da sie an mir vorüberschritte – daß dann ein neuerlich aufzuckender Blitzstrahl die Nacht zum Tag machen und mir das ganze Grauen vor Augen führen könnte, ja schlimmer noch: daß ich selbst gesehen würde! So blieb mir nichts anderes zu tun, als angehaltenen Atems zu warten – zu warten, indes die Minuten sich zu Stunden dehnten, und der schaurige Zug der Schatten sich erneut durch das Zimmer bewegte.
Jetzt waren die Indianer am Fuße der Treppe angelangt. Jetzt tauchte die riesenhafte Gestalt des Anführers drohend an der Einmündung des Küchenganges auf, und in eben dem Moment schlug auch die nachgeschleppte Last mit unheilvollem Laut auf die Dielenbretter. Doch war mir eine Galgenfrist gewährt, da der Anführer sich erst noch umwandte und bückte, um seinem Gefährten behilflich zu sein. Aber schon bewegte die Prozession sich abermals voran, trat ganz knapp zu meiner Linken ins Zimmer und schob sich an meiner Seite zwischen Tisch und Wand auf den Ausgang zu. Schon war der Vordermann an mir vorüber, schon war auch der zweite herangekommen, welcher die Last hinter sich herschleppte, jene Last, deren Umrisse ich nur undeutlich wahrnehmen konnte, als die gespenstische Kavalkade plötzlich erstarrte. Und im nämlichen Moment setzte mit der allen Gewittern eigentümlichen Plötzlichkeit der herniederrauschende Regen aus, und auch der heulende Wind war einer abgründigen Stille gewichen.
Sekundenlang schien auch mir das Herz stillstehen zu wollen – und dann kam das Ärgste: ein Blitzstrahl von doppelter Helligkeit riß das Zimmer samt allem, was sich darin befand, mit gnadenloser Klarheit aus dem
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