18 Gänsehaut Stories
mündete die Treppe, welche hinauf zu den Schlafräumen führte. Durch die Fenster konnte ich die verschwommenen, reglosen Umrisse der Bäume gewahren: Kein Ast bewegte sich, kein Blatt schien sich zu regen.
Allein, dies grauenvolle Schweigen währte nur kurze Zeit. Schon waren verstohlene Tritte auf den Bohlen der Veranda vernehmbar, doch schlichen sie so leise heran, daß ich sie nicht so sehr mit dem Gehör wie mit dem Gehirn zu erlauschen meinte. Gleich danach verdunkelte eine schwarze Gestalt das Glasgeviert der Tür, und ich gewahrte, daß ein Gesicht sich gegen die oberen Scheiben preßte. Ein Schauder lief mir den Rücken hinunter, und durch meine Kopfhaut rieselte ein Gefühl, als stünden mir jetzt und jetzt die Haare zu Berge – ja als sträubten sie sich schon nach allen Richtungen um meine Schläfen!
Es war die Gestalt eines Indianers – eines riesenhaften, breitschultrigen Indianers. Tatsächlich, sie war größer, als ich dergleichen jemals außerhalb von Schaustellungen gesehen hatte. Zufolge irgendeiner Lichtquelle, die sich aus meinem Hirn zu speisen schien, konnte ich die dunklen Züge, die breiten Backenknochen und die flach gegen die Glasscheibe gepreßte Adlernase deutlich unterscheiden. Die Blickrichtung freilich vermochte ich nicht zu erkennen, doch zeigte mir ein gelegentlich aufleuchtender Schimmer, welcher von dem Weiß der Hornhaut herrührte, daß dem Spähen dieser rollenden Augäpfel auch nicht die verborgenste Ecke des Zimmers entging.
Volle endlose fünf Minuten, so schien es mir, wich die Gestalt nicht von der Tür – hielt sie die mächtigen Schultern gekrümmt, um durch die niedere Verglasung spähen zu können. Dahinter aber, wenn auch längst nicht so groß, wanderte die schattenhafte Gestalt des zweiten Indianers hin und her, und dies Schattenwandern gemahnte an die Bewegungen eines im Winde schwankenden Baumes. Und während ich noch in aller Aufregung und Gespanntheit des nächsten Schrittes meiner Widersacher harrte, lief mir ein eisiger Schauder das Rückgrat hinauf und hinunter, schien mein Herz abwechselnd stehenbleiben und gleich danach wieder mit jagender Schnelligkeit durchgehen zu wollen. Jetzt mußten die beiden das rasende Pochen, das Singen des Bluts in meinen Schläfen gehört haben! Und als mir gar der kalte Angstschweiß aus der Stirn brach und übers Gesicht rann, ward ich mir auch noch des dringenden Wunsches bewußt, aufzuschreien und heulend gegen die Wände zu trommeln wie ein Kind – auf irgendeine Weise Lärm zu schlagen oder sonst etwas zu tun, was diese unerträgliche Spannung lösen, was die Dinge zu einem raschen Ende bringen mochte!
Vielleicht war es dieses Bedürfnis, das mich eine weitere Entdeckung machen ließ: Als ich nämlich versuchte, das Gewehr hinterm Rücken hervorzuziehen, um es schußbereit gegen die Tür zu richten, fand ich mich außerstande, auch nur die kleinste Bewegung zu machen. Die angstgelähmten Muskeln gehorchten meinem Willen nicht mehr! Das war nun freilich eine grausige Komplikation!
Jetzt wurde ganz leise am Messingknauf der Tür gerüttelt – jetzt ward sie spaltbreit geöffnet! Einige Sekunden verstrichen – und nun ging sie vollends auf. Die beiden Gestalten glitten ins Zimmer, so lautlos, daß ich keinen Hauch vernehmen konnte – und dann drückte der zweite Eindringling die Tür behutsam ins Schloß.
Nun hatten sie mich zwischen diesen vier Wänden ganz für sich. War’s möglich, daß sie mich erblickten, während ich so still und starr wie ein Stock in meiner Ecke stand? Hatten sie mich schon vorher erblickt? Mein Blut sauste, mein Puls trommelte mir in den Ohren! Und obschon ich nach Kräften bemüht war, mein Atmen nicht hören zu lassen, tönte es
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