Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
plötz­lich einen lau­ten Schrei aus.
    »Ach, ge­rech­ter Gott! Der Spun­kie hat mei­ne Hand er­grif­fen!« schrie sie.
    Man eil­te zu ihr, und al­le schri­en, nur nicht Muir­land. Das Mäd­chen zeig­te sei­ne blu­ten­de Hand; die, wel­che durch lan­ge Übung ge­schickt in der Deu­tung sol­cher Ora­kel wa­ren, ka­men da­hin über­ein, daß die Ver­wun­dung kei­nes­wegs, wie Muir­land be­haup­te­te, durch Dor­nen her­vor­ge­bracht wä­re, son­dern daß die Hand des jun­gen Mäd­chens tat­säch­lich die Spu­ren der spit­zi­gen Kral­len ei­nes Spun­kie zei­ge.
    Mail­lie wür­de al­so einen sehr ei­fer­süch­ti­gen Mann er­hal­ten. Der ver­wit­we­te Päch­ter hat­te viel ge­trun­ken.
    »Einen Ei­fer­süch­ti­gen!« schrie er.
    Er glaub­te in die­ser Deu­tung ei­ne An­spie­lung auf die Ge­schich­te sei­ner Ehe zu er­ken­nen. »Was mich be­trifft«, fuhr Muir­land fort und leer­te ei­ne Kan­ne, wel­che bis zum Ran­de mit Whis­ky ge­füllt war, »so will ich mich hun­dert­mal lie­ber mit dem Spun­kie ver­mäh­len, als noch­mals hei­ra­ten. Ich ha­be er­fah­ren, was es heißt, in Fes­seln zu le­ben. Lie­ber will ich mich mit ei­nem Af­fen, ei­ner Kat­ze oder ei­nem Teu­fel in ei­ne Fla­sche ein­schlie­ßen las­sen. Ich bin auf mei­ne ar­me Tuil­zie ei­fer­süch­tig ge­we­sen und hat­te da­mit viel­leicht un­recht; doch was soll man tun, wenn man sich ge­gen die Ei­fer­sucht schüt­zen will? Wo ist das Weib, wel­ches nicht ei­ner ewi­gen Auf­sicht be­dürf­te? Ich schlief des Nachts nicht, ver­ließ sie den gan­zen Tag nicht und schloß kei­ne Mi­nu­te die Au­gen. Mein Gut ging zu­rück, al­les ging zu­grun­de. Tuil­zie selbst welk­te da­hin. Fünf Mil­lio­nen Teu­fel mö­gen die Ehe ho­len!« Ei­ni­ge lach­ten, an­de­re är­ger­ten sich und schwie­gen.
    Nun soll­te der Zau­ber mit dem Spie­gel ver­sucht wer­den. Hier­bei stellt man sich mit ei­nem Licht in der Hand vor einen klei­nen Spie­gel, haucht drei­mal auf das Glas und wischt es dann ab, in­dem man drei­mal wie­der­holt: »Komm her­an, mein Mann!« oder »Daß ich dich schau’, mei­ne Frau!« Dann zeigt sich über der lin­ken Schul­ter der Per­son, die das Schick­sal be­fragt, deut­lich ei­ne Ge­stalt, und zwar die der Gat­tin oder des Gat­ten. Nie­mand wag­te nach dem, was Mail­lie zu­ge­sto­ßen war, noch fer­ner die über­na­tür­li­chen Mäch­te zu be­fra­gen. Die Wel­len der Doon mur­mel­ten im Schilf; ein lan­ger Sil­ber­schein, wel­cher in der Fer­ne auf dem Was­ser schim­mer­te, war in den Au­gen der Land­leu­te die leuch­ten­de Spur der Skel­pies oder Was­ser­geis­ter. Muir­lands Pferd, ein klei­nes Tier mit schwar­zem Schweif und wei­ßer Brust, wie­her­te laut, was stets ein Zei­chen da­für ist, daß ein bö­ser Geist in der Nä­he weilt. Die Luft wur­de kühl, die Hal­me des Schilfs wieg­ten sich rau­schend im Wind. Al­le Frau­en be­gan­nen von der Rück­kehr zu spre­chen; sie ta­del­ten ih­re Män­ner und Brü­der, daß sie zu­viel trän­ken, rie­ten ih­ren Vä­tern, sich nicht län­ger der fri­schen Nacht­luft aus­zu­set­zen.
    »Nun! Wer von euch will in den Spie­gel bli­cken?« frag­te Muir­land.
    Nie­mand ant­wor­te­te.
    »Ihr habt we­nig Mut«, fuhr er dann fort. »Der Hauch des Win­des macht euch zit­tern. Was mich be­trifft, so will ich kei­ne Frau ha­ben, wie ihr wißt, weil ich schla­fen will und mei­ne Au­gen sich nicht schlie­ßen wol­len, wenn ich ver­hei­ra­tet bin; da­her darf ich nicht in den Spie­gel se­hen.«
    Als aber nie­mand den Spie­gel er­grei­fen woll­te, nahm Jock Muir­land ihn doch zur Hand.
    »Ich wer­de euch ein Bei­spiel ge­ben.« Mit die­sen Wor­ten nahm er den Spie­gel; das Licht wur­de an­ge­zün­det, und mu­tig wie­der­hol­te er die Zau­ber­wor­te.
    »Daß ich dich schau’, mei­ne Frau!«
    So­fort zeig­te sich über Muir­lands Schul­ter ein blei­cher Kopf mit blon­dem Haar. Er er­beb­te und blick­te sich um, um sich zu über­zeu­gen, daß keins der jun­gen Mäd­chen hin­ter ihm ste­he. Al­lein nie­mand hat­te ge­wagt, die Rol­le des Ge­spens­tes zu spie­len, und ob­schon der Spie­gel den Hän­den des Päch­ters ent­glit­ten war und zer­bro­chen auf der Er­de lag, zeig­te sich doch

Weitere Kostenlose Bücher