18 Gänsehaut Stories
Endlich erlag sie dem Kummer. Muirland versank in tiefe Verzweiflung, die mehrere Jahre dauerte; da aber alles in dieser Welt vergänglich ist, so hatte auch er, indem er den Eid leistete, Witwer bleiben zu wollen, allmählich die Erinnerung an die Frau verloren, deren Henker er gegen seinen Willen geworden war. Die Frauen und Mädchen, welche ihn mehrere Jahre lang nur mit Angst angesehen hatten, verziehen ihm endlich, und die Nacht des Hallowe’en fand ihn als den wieder, der er früher gewesen war: heiter, witzig, unterhaltend, reich an trefflichen Erzählungen und Scherzen, welche die nächtliche Gesellschaft in die heiterste Laune versetzten.
Schon hatte man die meisten alten Romanzen gesungen, als es Mitternacht schlug. Man hatte reichlich getrunken. Die Geisterstunde war da. Alle erhoben sich, nur Muirland nicht.
»Wir wollen den Kail suchen! Den Kail wollen wir suchen!« riefen alle.
Die jungen Männer und jungen Mädchen eilten davon und kehrten dann einer nach dem andern zurück; jeder brachte eine Wurzel mit, die er aus dem Boden gezogen – das war der Kail.
Die erste Wurzel, die man findet, muß man ausziehen; ist die Wurzel gerade, so ist die zukünftige Gattin oder der zukünftige Gatte schön gewachsen und hübsch; ist sie gekrümmt, so heiratet man eine häßliche Person. Bleibt Erde an den Fasern der Wurzel hängen, ist die Ehe glücklich und fruchtbar; eine glatte und dünne Wurzel deutet darauf, daß man nicht lange verheiratet bleibt.
Die Aussichten auf künftige Heiraten veranlaßten lautes Lachen und manchen Scherz.
»Armer Will Haverel!« rief Muirland, während er auf die Wurzel blickte, die ein junger Bursche in der Hand hielt. »Du bekommst eine bucklige Frau; dein Kail gleicht dem Schwanz meines Schweines.«
Dann setzten sie sich in einen Kreis und versuchten, wie die Wurzeln schmeckten. Eine bittere Wurzel deutet auf ein garstiges Ehegemahl; eine süße Wurzel auf einen schwachsinnigen Mann oder eine ebensolche Frau; eine wohlriechende Wurzel auf einen Gatten von fröhlichem Wesen. Dann kam das tap-pickle. Die jungen Mädchen gingen mit verbundenen Augen auf ein Feld, und jedes pflückte drei Getreideähren. Fehlt in einer derselben das Korn, so weiß man, daß der zukünftige Mann eine vor der Ehe begangene Schwäche zu verzeihen hat. O Nelly! Nelly! Deinen drei Ähren fehlte ihr tap-pickle, und man wird dich nicht mit Spöttereien verschonen! Du hattest gestern noch auf dem Heuboden eine lange, lange Unterredung mit Robert Luath.
Muirland blickte die Mädchen an, ohne Anteil an ihrem Spiel zu nehmen.
»Die Nüsse! Nüsse!« rief man nun.
Aus einem Korb wurde ein Sack mit Nüssen hervorgezogen, und man näherte sich dem Feuer. Jeder nahm eine Nuß. Man stellte sich paarweise auf und gab der Nuß, die man gewählt hat, seinen eigenen Namen. Dann legte das Paar die Nüsse in das Feuer. Wenn die beiden Nüsse friedlich nebeneinander brennen, so wird die Ehe lange dauern und friedlich sein; wenn aber die Nüsse knacken und beim Verbrennen auseinanderspringen, so wird Unfrieden in der Ehe herrschen, und sie wird bald getrennt werden.
Es schlug ein Uhr, und noch waren die Bauern nicht müde, ihre Orakel zu befragen. Die Spunkies begannen sich im Schilf zu regen. Die jungen Mädchen zitterten. Eine Wolke zog vor den Mond, welcher hoch am Himmel stand. Man befragte jetzt den Erdtopf, man blies das Licht aus, man schnitt Äpfel und gab sich noch manch anderer Zauberei hin.
Willie Maillie, eins der hübschesten Mädchen, tauchte dreimal seine Hand in das Wasser der Doon und rief dabei: »Mein künftiger Mann, den ich noch nicht sehen kann, wo du bist, sag mir an. Meine Hand nimm an.«
Dreimal wiederholte sie den Zauberspruch; da stieß sie
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