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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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End­lich er­lag sie dem Kum­mer. Muir­land ver­sank in tie­fe Ver­zweif­lung, die meh­re­re Jah­re dau­er­te; da aber al­les in die­ser Welt ver­gäng­lich ist, so hat­te auch er, in­dem er den Eid leis­te­te, Wit­wer blei­ben zu wol­len, all­mäh­lich die Er­in­ne­rung an die Frau ver­lo­ren, de­ren Hen­ker er ge­gen sei­nen Wil­len ge­wor­den war. Die Frau­en und Mäd­chen, wel­che ihn meh­re­re Jah­re lang nur mit Angst an­ge­se­hen hat­ten, ver­zie­hen ihm end­lich, und die Nacht des Hal­lo­we’en fand ihn als den wie­der, der er frü­her ge­we­sen war: hei­ter, wit­zig, un­ter­hal­tend, reich an treff­li­chen Er­zäh­lun­gen und Scher­zen, wel­che die nächt­li­che Ge­sell­schaft in die hei­ters­te Lau­ne ver­setz­ten.
    Schon hat­te man die meis­ten al­ten Ro­man­zen ge­sun­gen, als es Mit­ter­nacht schlug. Man hat­te reich­lich ge­trun­ken. Die Geis­ter­stun­de war da. Al­le er­ho­ben sich, nur Muir­land nicht.
    »Wir wol­len den Kail su­chen! Den Kail wol­len wir su­chen!« rie­fen al­le.
    Die jun­gen Män­ner und jun­gen Mäd­chen eil­ten da­von und kehr­ten dann ei­ner nach dem an­dern zu­rück; je­der brach­te ei­ne Wur­zel mit, die er aus dem Bo­den ge­zo­gen – das war der Kail.
    Die ers­te Wur­zel, die man fin­det, muß man aus­zie­hen; ist die Wur­zel ge­ra­de, so ist die zu­künf­ti­ge Gat­tin oder der zu­künf­ti­ge Gat­te schön ge­wach­sen und hübsch; ist sie ge­krümmt, so hei­ra­tet man ei­ne häß­li­che Per­son. Bleibt Er­de an den Fa­sern der Wur­zel hän­gen, ist die Ehe glück­lich und frucht­bar; ei­ne glat­te und dün­ne Wur­zel deu­tet dar­auf, daß man nicht lan­ge ver­hei­ra­tet bleibt.
    Die Aus­sich­ten auf künf­ti­ge Hei­ra­ten ver­an­laß­ten lau­tes La­chen und man­chen Scherz.
    »Ar­mer Will Ha­ver­el!« rief Muir­land, wäh­rend er auf die Wur­zel blick­te, die ein jun­ger Bur­sche in der Hand hielt. »Du be­kommst ei­ne buck­li­ge Frau; dein Kail gleicht dem Schwanz mei­nes Schwei­nes.«
    Dann setz­ten sie sich in einen Kreis und ver­such­ten, wie die Wur­zeln schmeck­ten. Ei­ne bit­te­re Wur­zel deu­tet auf ein gars­ti­ges Ehe­ge­mahl; ei­ne sü­ße Wur­zel auf einen schwach­sin­ni­gen Mann oder ei­ne eben­sol­che Frau; ei­ne wohl­rie­chen­de Wur­zel auf einen Gat­ten von fröh­li­chem We­sen. Dann kam das tap-pick­le. Die jun­gen Mäd­chen gin­gen mit ver­bun­de­nen Au­gen auf ein Feld, und je­des pflück­te drei Ge­trei­de­äh­ren. Fehlt in ei­ner der­sel­ben das Korn, so weiß man, daß der zu­künf­ti­ge Mann ei­ne vor der Ehe be­gan­ge­ne Schwä­che zu ver­zei­hen hat. O Nel­ly! Nel­ly! Dei­nen drei Äh­ren fehl­te ihr tap-pick­le, und man wird dich nicht mit Spöt­te­rei­en ver­scho­nen! Du hat­test ges­tern noch auf dem Heu­bo­den ei­ne lan­ge, lan­ge Un­ter­re­dung mit Ro­bert Luath.
    Muir­land blick­te die Mäd­chen an, oh­ne An­teil an ih­rem Spiel zu neh­men.
    »Die Nüs­se! Nüs­se!« rief man nun.
    Aus ei­nem Korb wur­de ein Sack mit Nüs­sen her­vor­ge­zo­gen, und man nä­her­te sich dem Feu­er. Je­der nahm ei­ne Nuß. Man stell­te sich paar­wei­se auf und gab der Nuß, die man ge­wählt hat, sei­nen ei­ge­nen Na­men. Dann leg­te das Paar die Nüs­se in das Feu­er. Wenn die bei­den Nüs­se fried­lich ne­ben­ein­an­der bren­nen, so wird die Ehe lan­ge dau­ern und fried­lich sein; wenn aber die Nüs­se knacken und beim Ver­bren­nen aus­ein­an­der­sprin­gen, so wird Un­frie­den in der Ehe herr­schen, und sie wird bald ge­trennt wer­den.
    Es schlug ein Uhr, und noch wa­ren die Bau­ern nicht mü­de, ih­re Ora­kel zu be­fra­gen. Die Spun­kies be­gan­nen sich im Schilf zu re­gen. Die jun­gen Mäd­chen zit­ter­ten. Ei­ne Wol­ke zog vor den Mond, wel­cher hoch am Him­mel stand. Man be­frag­te jetzt den Erd­topf, man blies das Licht aus, man schnitt Äp­fel und gab sich noch manch an­de­rer Zau­be­rei hin.
    Wil­lie Mail­lie, eins der hüb­sche­s­ten Mäd­chen, tauch­te drei­mal sei­ne Hand in das Was­ser der Doon und rief da­bei: »Mein künf­ti­ger Mann, den ich noch nicht se­hen kann, wo du bist, sag mir an. Mei­ne Hand nimm an.«
    Drei­mal wie­der­hol­te sie den Zau­ber­spruch; da stieß sie

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