18 Gänsehaut Stories
dessen Reize durch die Leichtigkeit der Kleidung erhöht wurden.
Muirland war aufgeregt; diese so anmutigen und so zarten Formen standen im Widerspruch zu allem, was ihn umgab. Das Skelett, welches die Messe nachäffte, ergriff mit seinen gekrümmten Fingern Muirlands Hand und legte sie in die des jungen Mädchens.
Muirland glaubte jetzt in der Berührung der seltsamen Braut den kalten Biß zu erkennen, welchen das Volk den Spunkies zuschreibt. Das war zuviel; er schloß die Augen und wurde halb ohnmächtig.
Er glaubte zu fühlen, wie Geisterhände ihn auf sein treues Tier setzten, welches vor der Tür der Kathedrale wartete; allein seine Wahrnehmungen waren dunkel, unbestimmt seine Empfindungen. Was weiter geschah, wußte der Pächter nicht, der sich am nächsten Morgen in seinem Bett wiederfand und erstaunt war, als man ihm sagte, daß er in der Nacht des Hallowe’en eine Reise in das Hochland angetreten habe und einige Tage darauf mit dem jungen Weib zurückgekehrt sei, das er an seinem Bett sitzen sah.
Er rieb sich die Augen und glaubte zu träumen, dann aber wollte er die betrachten, die er gewählt hatte, ohne zu wissen, und die nun Frau Muirland geworden war.
Wie hübsch war sie! Welch sanftes Licht strahlte aus ihren glänzenden Augen! Doch überraschten Muirland diese großen Augen. Er sah keine Augenlider, große dunkelblaue Kreise zeigten sich unter den schwarzen Bogen der Augenbrauen, deren Schwung von bewundernswürdiger Leichtigkeit war. Muirland seufzte; die undeutliche Erinnerung an den Spunkie, an seinen nächtlichen Ritt und seine schreckliche Hochzeit in der Kathedrale wurde in ihm wach.
Während er seine neue Gattin betrachtete, glaubte er, wenn auch gemildert, bei ihr alle charakteristischen Züge eines übernatürlichen Wesens zu erkennen.
Die Finger des jungen Weibes waren lang und dünn, ihre Nägel lang und schmal, ihr blondes Haar reichte bis auf die Erde.
Er versank in tiefe Gedanken; indes sagten alle seine Nachbarn zu ihm, daß die Familie seiner Frau in den Hochlanden wohne, daß er gleich nach der Hochzeit von einem heftigen Fieber ergriffen und es daher kein Wunder sei, wenn jede Erinnerung an die Trauung seinem Geiste entfallen wäre; bald aber würde er sich mit seiner Frau glücklich fühlen, denn sie sei schön, sanft und eine gute Hausfrau.
»Sie hat aber keine Augenlider!« rief Muirland.
Man lachte ihm ins Gesicht und behauptete, daß er noch immer an Fieberphantasien litte. Außer dem Pächter bemerkte niemand diese sonderbare Eigentümlichkeit.
Die Nacht kam; es war für Muirland die Hochzeitsnacht; denn bisher war er nur dem Namen nach Ehemann gewesen.
Die Schönheit seiner Frau hatte ihn erregt. Er gelobte sich, seiner Angst zu trotzen und das wunderbare Geschenk zu genießen, welches der Himmel oder die Hölle ihm gesandt hatte …
Muirland erwachte, denn es war ihm, als hätte ein plötzlicher Sonnenstrahl das Zimmer erleuchtet, in welchem das eheliche Bett stand. Er fuhr rasch empor und erblickte die funkelnden Augen seiner Gattin, die sich zärtlich auf ihn richteten. »Verdammt!« rief er. »Mein Schlaf ist eine Beleidigung deiner Schönheit!«
Er sagte zu Spellie, so hieß die junge Gattin, tausend liebenswürdige und zärtliche Dinge, auf welche das junge Mädchen aus den Bergen so gut sie konnte antwortete.
Der Morgen brach an, und Spellie hatte noch nicht geschlafen. Wie sollte sie auch schlafen? fragte sich Muirland. Sie hat ja keine Lider.
Die Sonne stand am Himmel. Muirland war bleich und erschöpft; die Augen der jungen Gattin strahlten feuriger als je. Morgens ergingen sie sich an den Ufern der Doon. Das junge Weib war so schön, daß der Bauer trotz des Fiebers, von welchem er ergriffen
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