18 Gänsehaut Stories
noch immer über seiner Schulter der bleiche Kopf mit dem flammend blonden Haar.
Muirland stieß einen lauten Schrei aus und warf sich mit dem Gesicht auf den Boden.
Alle Anwesenden flohen und zerstreuten sich nach den verschiedensten Seiten wie Blätter im Wind. An der Stelle, wo sie sich ihren ländlichen Freuden hingegeben hatten, blieben nur Reste des Festes, das halb erloschene Feuer, die geleerten Krüge und Flaschen – und Muirland, der mit dem Gesicht noch immer auf dem Boden lag.
Der Wind heulte und ließ jenes lange Pfeifen hören, welches die Schotten mit dem Ausdruck sugh bezeichnen.
Muirland erhob sich und blickte über seine Schulter – noch immer sah er den Kopf; er lächelte dem Bauern zu, sagte aber kein Wort, und Muirland vermochte nicht zu erkennen, ob dieser Kopf einem menschlichen Körper angehöre, denn er zeigte sich ihm stets nur über die Schulter. Seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Er versuchte eine Unterhaltung mit dem höllischen Wesen anzuknüpfen, er sprach sich selbst Mut zu, doch umsonst – sobald er die bleichen Züge und die flammenden Locken erblickte, zitterte er am ganzen Körper. Da floh er in der Hoffnung, sich so von diesem schrecklichen Wesen befreien zu können.
Er eilte zu seinem Pferd, band es los und wollte den Fuß in den Steigbügel setzen, als er sich noch einmal umblickte. O Grausen! Noch immer war der Kopf neben ihm, schien sein unzertrennlicher Begleiter geworden zu sein. Er war an seine Schulter geheftet, gleich jenen Köpfen, welche gotische Bildhauer bisweilen an der Spitze einer Säule oder in der Ecke eines Gesimses anbrachten.
Das Pferd des Bauern schnaubte; es teilte das Grausen seines Herrn.
Der Spunkie, denn einer von diesen Bewohnern des Schilfes der Doon mußte es sein, der den Pächter verfolgte, richtete zwei flammende Augen auf Muirland, sooft dieser sich umblickte. Tiefblau waren diese Augen, keine Wimpern beschatteten, kein Augenlid milderte ihren unheimlichen Glanz. Beide Sporen schlug der Bauer dem Pferd in die Seiten, das davonjagte; immer wieder mußte er sich umdrehen, mußte sich überzeugen, ob seine Verfolgerin noch da war, und sie verließ ihn nicht; er galoppierte dahin. Muirland wußte nicht mehr, welchen Weg er verfolgte, welchem Ziel sein Pferd ihn entgegenführte. Er hatte nur einen Gedanken, den an den Spunkie, der ihn nicht verließ.
Der Himmel überzog sich mit schwarzen Wolken. Der Wind heulte, als hätte er die Toten aufwecken wollen; der Regen klatschte.
Flüchtige Blitze durchzuckten die Wolken. Der Donner glich einem dumpfen und lauten Gebrüll.
Die Wut des Ungewitters steigerte sich mit jedem Augenblick; die Doon trat aus ihren Ufern, und Muirland erkannte, nachdem er eine Stunde galoppiert war, daß er an dieselbe Stelle zurückgekehrt war, von der er weggeritten war. Er jagte weiter.
Die Kirche von Cassilis lag vor ihm. Eine Feuersbrunst schien ihre alten Pfeiler zu verzehren; Flammen schlugen aus den Fensterlöchern, und die Bildwerke erschienen in ihrer ganzen Schönheit auf dem unheimlich hellen Hintergrunde. Das Pferd wollte nicht weiter; allein der Pächter, dessen Vernunft nicht mehr sein Tun leitete, der die Last des furchtbaren Kopfes auf seinen Schultern zu fühlen glaubte, schlug dem armen Tiere so heftig die Sporen in die Seiten, daß es weiterraste.
»Jock«, sagte eine sanfte Stimme, »heirate mich, und du wirst dich nicht mehr fürchten.«
»Heirate mich«, wiederholte der Spunkie.
Indes jagten sie auf die flammende Kirche zu. Am Weiterreiten durch die zerbrochenen Pfeiler und die zu Boden gestürzten Steinbilder der Heiligen gehindert, stieg Muirland vom Pferde.
Mit festen Schritten trat er in die Kirche, deren Decke der Himmel
Weitere Kostenlose Bücher