18 Gänsehaut Stories
symbolische Weise den ganzen Genius seines Volkes darzustellen. In Schottland glaubt man an alle Arten von Geistern und unterhält sich in den dürftigsten Hütten über Gegenstände der abstrakten Philosophie.
Die Nacht der Hallowe’en ist vorzugsweise dem Aberglauben gewidmet. Man glaubt, in dieser Nacht einen Blick in die Zukunft tun zu können. Die Formeln und Zaubersprüche sind bekannt und unverletzlich. Keine Religion kann es genauer mit ihren Zeremonien nehmen. Der Zweck des nächtlichen Ausflugs der Bewohner von Cassilis war die Feier dieser Zaubernacht, bei welcher jeder Priester und Hexenmeister zu gleicher Zeit ist.
Diese ländliche Zauberei hat einen unaussprechlichen Reiz. Man bleibt gewissermaßen auf der Grenze stehen, welche Dichtung und Wirklichkeit scheidet; man steht mit den höllischen Mächten in Verbindung, ohne dabei aber Gott zu verleugnen; man wandelt die gewöhnlichsten Dinge in magische um; man schafft sich mit einer Getreideähre und einem Weidenblatt Hoffnungen und Befürchtungen. Mitternacht ist die Stunde der Hallowe’en, denn dann ist die ganze Luft von überirdischen Wesen bevölkert.
Um neun Uhr waren die Bauern zusammengekommen; sie verbrachten die Zeit bis Mitternacht mit Zechen; auch sangen sie jene alten, köstlichen Balladen, deren schwermütige, kindliche Melodien so unendlich ergreifen.
Die jungen Mädchen mit ihren gewürfelten Tüchern und ihren sauberen Gewändern, die Frauen, auf deren Lippen ein Lächeln schwebte, die Kinder, geschmückt mit jenen roten Bändern, welche über den Knien zusammengebunden werden und als Strumpfbänder und Schmuck zugleich dienen, die jungen Leute, deren Herz schneller schlug, je näher die geheimnisvolle Stunde kam, in welcher das Schicksal befragt werden sollte, einer oder zwei Greise, die durch das schmackhafte Ale zu Jünglingen wurden, sie alle bildeten eine anziehende Gruppe, die, von Wilkie gemalt, alle empfänglichen Seelen Europas entzückt und alle die erfreut hätte, welche unter so vielen fieberhaften Anstrengungen noch der Wonne eines wahren und tiefen Gefühls zugänglich geblieben sind.
Besonders Muirland überließ sich ganz und gar der lauten Heiterkeit, welche aus dem Bier aufstieg und sich der ganzen Versammlung bemächtigte.
Er war einer von denen, die das Leben nicht kleinkriegt, die sich im Bewußtsein ihrer Kraft vor nichts fürchten. Seine junge Frau war nach zweijähriger Ehe gestorben, und Muirland hatte geschworen, nie wieder zu heiraten.
Jedermann im Dorf kannte die Ursache von Tuilzies Tod: Muirlands Eifersucht hatte ihn herbeigeführt. Kaum sechzehn Sommer zählte Tuilzie, als der Pächter sie freite. Sie liebte ihn und kannte nicht seine Heftigkeit, nicht die Wut, die ihn ergreifen konnte, die täglichen Qualen, die er sich selbst und anderen bereitete. Jock Muirland war eifersüchtig; die kindliche Zärtlichkeit seiner jungen Gattin beruhigte ihn nicht. Eines Tages, es war mitten im Winter, ließ er sie eine Reise nach Edinburgh machen, um sie den vorgeblichen Nachstellungen eines jungen Lords zu entziehen, der die schlechte Jahreszeit auf seinem Landsitz zubringen wollte.
Von den Bekannten des Pächters ließ es keiner an Vorwürfen fehlen; er antwortete nichts weiter, als daß er Tuilzie sehr liebe und am besten beurteilen könne, was zu dem Glück seiner Ehe beitrüge. Unter dem Dach Jocks hörte man oft Klagen, Geschrei und Seufzer. Tuilzies Bruder hatte seinem Schwager vorgestellt, daß sein Benehmen unverzeihlich wäre, und heftiger Streit zwischen den Gatten war die Folge dieses Schrittes gewesen; das junge Weib wurde kränker von Tag zu Tag.
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