Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
zum Ob­ser­va­to­ri­um hin­auf nur noch ein Teil sei­ner Ar­beit. Der ers­te Blick auf die wei­ßen Kup­pen hoch über ih­nen jag­te ihm kei­nen er­war­tungs­vol­len Schau­er mehr über den Rücken. Aber daß Da­gny ihn dies­mal be­glei­te­te, war et­was Be­son­de­res, denn sie kam sel­ten mit, wenn er zum Mt. El­si­no­re fuhr. Für sie war Astro­no­mie kei­ne Wis­sen­schaft, son­dern ein Ge­heim­nis, ob­wohl sie sich durch ihr In­ter­es­se für Astro­lo­gie fun­dier­te astro­no­mi­sche Grund­kennt­nis­se hat­te an­eig­nen müs­sen. Sie wuß­te nicht nur über Ster­ne, Pla­ne­ten und Stern­bil­der Be­scheid, son­dern ver­stand auch Fach­aus­drücke wie Stun­den­win­kel, si­de­ri­sche Zeit, De­kli­nia­ti­on oder Spek­tral­typ.
    Die Au­ßen­tem­pe­ra­tur nahm rasch ab, je hö­her sie ka­men. In 1500 Me­ter Hö­he er­schie­nen die ers­ten Ne­bel­strei­fen, und bei 2000 Me­ter war der Ne­bel so dicht ge­wor­den, daß Bob nur noch Schrit­tem­po fah­ren konn­te.
    Da­gny war be­geis­tert. Hier im Ne­bel schie­nen sie von der rea­len Welt iso­liert zu sein. Ein­mal sa­hen sie ein wei­ßes Eich­hörn­chen auf ei­nem Ast am Stra­ßen­rand sit­zen.
    Nach dem Mit­tages­sen im Berg­ho­tel er­klär­te Bob sei­ner Frau, er müs­se jetzt ins Ob­ser­va­to­ri­um, wo sei­ne Kol­le­gen, die für die­se Be­ob­ach­tungs­pe­ri­ode ein­ge­teilt wa­ren, sich auf­hiel­ten. Auch die Tech­ni­ker und As­sis­ten­ten, die stän­dig hier ar­bei­te­ten, wohn­ten im Ob­ser­va­to­ri­um.
    »Warum gehst du über­haupt hin?« frag­te Da­gny, wäh­rend sie aus­pack­te. »Der Ne­bel ist so dicht, daß man vom Fens­ter aus kaum un­se­ren Wa­gen sieht.«
    »Das ist ei­ne Fra­ge des Prin­zips«, er­klär­te Bob und zog sich um, weil er im Ob­ser­va­to­ri­um lie­ber be­que­me al­te Sa­chen an­hat­te. »Astro­no­men tref­fen ih­re Vor­be­rei­tun­gen un­ab­hän­gig vom Wet­ter. Der Ne­bel könn­te in ei­ner Vier­tel­stun­de auf­rei­ßen. Wo wä­re ich dann, wenn ich nichts vor­be­rei­tet hät­te?«
    »Pein­lich«, mur­mel­te Da­gny.
    Bob lach­te, als ihm et­was ein­fiel.
    »Ich weiß noch, wie ich zur Be­ob­ach­tung ei­ner Son­nen­fins­ter­nis in Neu­gui­nea war«, sag­te er. »Da­mals war ich al­ler­dings noch Stu­dent. Am Mor­gen des ent­schei­den­den Ta­ges war die Wol­ken­de­cke so dicht, daß nicht ein­mal die Son­ne zu se­hen war. Ich hät­te am liebs­ten zu­sam­men­ge­packt. Der Ex­pe­di­ti­ons­lei­ter aber hat uns an­ge­fah­ren, wir soll­ten ge­fäl­ligst wei­ter­ma­chen. Wir ha­ben uns al­so an den aus­ge­ar­bei­te­ten Zeit­plan ge­hal­ten – und we­ni­ge Mi­nu­ten vor Ein­tritt der to­ta­len Son­nen­fins­ter­nis ist die Wol­ken­de­cke wie durch ein Wun­der auf­ge­ris­sen. Da­mit war das gan­ze Be­ob­ach­tungs­pro­gramm ge­ret­tet.«
    Bob mach­te ei­ne Pau­se. Als Da­gny sich nicht da­zu äu­ßer­te, ging er ver­le­gen zur Tür.
    Da­gny run­zel­te die Stirn, wäh­rend sie die auf dem Bett ver­streu­ten Toi­let­ten­ar­ti­kel und Klei­dungs­stücke be­trach­te te.
    »Ich hab’ die Zahn­cre­me ver­ges­sen!« rief sie.
    Bob fühl­te sich ge­de­mü­tigt und her­ab­ge­setzt, wenn er dar­an dach­te, daß er an Thorn­tons Pro­gramm mit­ar­bei­ten soll­te. Aber so­bald er ein­ge­wil­ligt hat­te, spiel­ten die Per­so­nen der Be­tei­lig­ten kei­ne Rol­le mehr. Bob nahm sich vor, die Be­ob­ach­tun­gen so gut wie ir­gend mög­lich durch­zu­füh­ren – ge­nau wie ein Chir­urg, der einen Feind so gut wie einen Freund ope­rier­te. Soll­te das Wet­ter je­doch die Be­ob­ach­tun­gen ver­hin­dern, war das nicht sei­ne Schuld.
    Bei Son­nen­un­ter­gang lös­te sich der Ne­bel auf, und der Abend­him­mel wur­de kris­tall­klar. Bob war­te­te noch ei­ne Wei­le, be­vor er sei­nen Nachtas­sis­ten­ten im Ob­ser­va­to­ri­um an­rief und ihn an­wies, die Kup­pel des großen Spie­gel­te­le­skops zu öff­nen. Aber er hat­te kaum die hal­be Mei­le zum Ob­ser­va­to­ri­um zu­rück­ge­legt, als wie­der Ne­bel auf­stieg. Und so ging es die gan­ze Nacht wei­ter: Ne­bel, kla­rer Him­mel, wie­der Ne­bel, es ge­lang ihm kei­ne ein­zi­ge gut be­lich­te­te

Weitere Kostenlose Bücher