18 Gänsehaut Stories
Aufnahme. Im Morgengrauen kam er müder und frustrierter ins Hotel zurück, als wenn er die ganze Nacht angestrengt gearbeitet hätte.
Er schlich sich so leise wie möglich ins Zimmer, um Dagny nicht zu wecken. Seit Mitternacht hatte er sich auf den Augenblick gefreut, in dem er in seiner Hälfte des Doppelbetts unter die Decke kriechen und die Sterne vergessen konnte. Aber wie schon so oft nach anstrengenden Beobachtungsnächten war er in dem Moment hellwach, in dem sein Kopf das Kissen berührte. Manchmal kam er sich geradezu schizophren vor: Sein waches Ich lag neben dem anderen, das friedlich träumte. Schließlich verfiel er doch in unruhigen Schlaf, aus dem er gegen Mittag erwachte. Dagny war fort, und die Landschaft sah so trostlos aus wie zuvor.
Dagny kam zurück, als er sich rasierte. Sie war munter und fröhlich und brachte Tannenduft von draußen mit.
Sie hatte unten am Empfang Ansichtskarten gekauft.
»Lauter Tierfotos«, sagte sie und breitete die Karten aus. »Füchse, Rehe, Eichhörnchen – und Blumen.«
»Ja, das sehe ich.«
»War’s schlimm heute nacht?«
Bob nickte.
»Eine schreckliche Nacht. Überhaupt kein Glück.«
Die zweite Nacht war eine Wiederholung der ersten. Bob setzte ein entsprechend trübseliges Gesicht auf und bedauerte seine Kollegen, die an den anderen Teleskopen arbeiten wollten. Aber in Wirklichkeit mußte er sich beherrschen, um nicht lauthals zu lachen. Noch eine Nacht dieser Art, dann war Thorntons Auftrag erledigt, und er selbst konnte mit reinem Gewissen abfahren. Außerdem schlief er in dieser Nacht gut und war beim Essen bester Laune. (Frühstück für Bob; Mittagessen für Dagny.)
Nach dem Abendessen am 31. rief er im Observatorium an. »Wir bleiben bis zwei Uhr auf«, erklärte er seinem Nachtassistenten. »Wenn es dann nicht besser aussieht, machen wir für diese Nacht Schluß.«
Dagny und er setzten sich vor den alten Fernseher, den die Hoteldirektion ihnen ins Zimmer gestellt hatte. Zu ihrem Entzücken entdeckten sie in einem Programm einen alten Film aus ihrer Flitterwochenzeit. Sie hielten bald Händchen und wechselten wehmütige Blicke. Selbst die Werbespots waren ihnen willkommen, weil sie Bob Gelegenheit gaben, nach dem Wetter zu sehen. Zu seinem Vergnügen sah er sich jedesmal einer Nebelwand vor dem Fenster konfrontiert.
Nach dem Happy-End gegen elf Uhr fand er die Welt jedoch verwandelt: Die Lichter im Tal waren bis zum Horizont sichtbar, und über ihnen die Sternbilder Schwan und Leier.
»Jupiter«, flüsterte Dagny und starrte den riesigen gelben Stern im Osten ehrfürchtig an.
»Richtig«, stimmte Bob zu, »Jupiter steht im Steinbock. Er ist aufgegangen.«
»Was Doktor Thornton jetzt wohl in Hawaii tut?«
»Wahrscheinlich nicht viel. Die Sternbedeckung tritt erst ein, wenn es hier schon hell ist.«
Dann verschwanden die Lichter im Tal plötzlich. Auch Jupiter war nicht mehr zu sehen. Innerhalb weniger Sekunden war die Welt wieder so grau und undurchsichtig wie zuvor.
Bob sah auf die Uhr. Noch drei Stunden, dann war er wieder frei. Er mixte sich einen Drink; Dagny blieb bei Tomatensaft. Als Bob ihr das Glas brachte, zog sie ihn zu sich herab und küßte ihn.
Eine schöne Nacht, dachte Bob, als er Dagny lachend zum Bett trug. Ob Nebel oder nicht …
Bob wachte mühsam auf und kämpfte sich durch eine zähe Masse voran, die ihn festhalten wollte. Irgendwo klingelte etwas.
Er bildete sich zunächst ein, das schrille Klingeln gehöre zu einem Traum, dann begriff er, worum es sich handelte: das Telefon.
Er tastete nach dem Telefonhörer.
»Soll ich aufmachen, Doktor Archer?« fragte der Nachtassistent des 250-Zoll-Teleskops.
»Ich dachte, wir hätten wieder Nebel.«
»Der ist seit mehr als einer Stunde weg.«
»Gut,
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