18 Gänsehaut Stories
fangen Sie bitte mit der Einstellung an. Ich bin gleich drüben.«
Das war eine leichte Übertreibung. Bob hatte nicht damit gerechnet, sich in aller Eile anziehen zu müssen, und seine Kleidungsstücke waren im ganzen Zimmer verstreut. Außerdem mußte er leise sein, weil er Dagny nicht wecken wollte. Ihr Haar bedeckte fast ihr ganzes Gesicht, so daß Bob nur das Profil auf dem Kissen sah. Wie still sie dalag! Ihre langen dunklen Wimpern so unbeweglich wie die einer Puppe. Die Bettdecke hob und senkte sich nicht im geringsten, als ob Dagny überhaupt nicht atmete.
Er beschloß zu Fuß zu gehen, anstatt mit dem Auto zu fahren. Ihr alter Wagen war ohnehin viel zu laut. Und auf dem Fußweg zum Observatorium brauchte er bestimmt nicht viel länger.
Aber er hatte nicht mit der dünnen Höhenluft gerechnet. Bis er die Kuppel erreichte und die lange Treppe zum Kontrollpult hinter sich brachte, keuchte er und rang nach Atem. Er hing über dem Eisengeländer, von dem das Spiegelteleskop umgeben war, und kam sich wie ein Boxer vor, der groggy in den Seilen hängt.
Die Kuppel war offen, aber das Teleskop stand wie üblich senkrecht.
»Warum haben Sie’s nicht eingestellt?« fragte Bob, als er wieder sprechen konnte.
Der Nachtassistent klopfte seine Pfeife aus. »Ich hatte die Position nicht.«
»Ich habe sie hier auf den Schreibtisch gelegt!«
»Tut mir leid, ich habe sie nirgends gesehen.«
Dann folgten aufregende zehn Minuten, in denen sie den ganzen Schreibtisch, den Fußboden um den Schreibtisch herum, die Schubladen, das Beobachtungsbuch und dann auch noch die Dunkelkammer und das WC durchsuchten. Aber die wichtigen Informationen, ohne die man den winzigen Lichtpunkt weit außerhalb der Wahrnehmungsfähigkeit des menschlichen Auges nicht anvisieren konnte, blieben verschwunden. Das ließ nur einen Schluß zu: Bei seinem hastigen Aufbruch hatte Bob die Einstellung und die Identifikationskarte im Hotelzimmer liegenlassen.
Was sollten sie tun?
Mindestens eine Stunde würde vergehen, wenn er die Unterlagen aus dem Hotel holen, das Spiegelteleskop einstellen und die Aufnahme beginnen wollte – vielleicht sogar länger, weil er das betreffende Sternfeld nicht kannte und sein Objekt unter Umständen nicht sofort würde identifizieren können. Im Juli wird es früh hell. Er konnte natürlich anrufen und Dagny bitten, ihm die Werte durchzugeben, aber die Position des Sternfeldes war praktisch wertlos, solange die dazugehörige Identifikationskarte fehlte. Das gesuchte Objekt konnte irgendeiner von einem Dutzend Sterne sein.
Bob suchte eben zum drittenmal seine Taschen durch, als er die Eisentür am Fuß der Treppe ins Schloß fallen hörte. Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann kamen langsame Schritte die Treppe herauf. Er und der Nachtassistent wechselten einen fragenden Blick.
»Jemand von den beiden anderen Teleskopen?« fragte Bob.
Der Assistent schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Bestimmt nicht. Die haben schon Schluß gemacht.«
»Es muß aber jemand von hier sein. Wer hätte sonst einen Schlüssel?«
»Keine Ahnung«, murmelte der Assistent. »Aber das wird sich gleich herausstellen.«
Er schaltete die Kuppelbeleuchtung aus, so daß nur noch die Instrumente schwachrötlich leuchteten. Bob hörte ihn die eiserne Wendeltreppe bis zum Absatz auf halber Höhe hinuntereilen. Dort waren halblaute Stimmen zu hören, dann entfernten sich Schritte treppab, während der Assistent zurückkehrte. Er gab Bob einen Umschlag.
»Sind das die Unterlagen, die Sie brauchen?«
Bob warf einen Blick in den Umschlag.
»Alles da!« rief er. »Aber wer …«
»Keine Ahnung. Eine blonde Dame hat ihn mir gegeben.«
Das muß Dagny
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