18 Gänsehaut Stories
von riesigem Wuchs. Er machte keine Anstalten, ihn zu belästigen oder sich zu nähern, sondern blieb in einiger Entfernung auf der Wegseite stehen. Ichabod, der der Erzählung Brom Bones vom kopflosen Reiter gedachte, trieb jetzt sein Pferd an, in der Hoffnung, die Erscheinung hinter sich zu lassen. Aber auch der Fremde trabte an, und wie immer Ichabod ritt, schnell oder langsam, der Fremde blieb bei ihm. Der Schulmeister war von Entsetzen gelähmt, als er bemerkte, daß der Kopf des Fremden, der auf der Schulter hätte sitzen sollen, auf dem Sattelknopf lag. Sein Entsetzen steigerte sich zur Verzweiflung, er ließ einen Hagel von Schlägen auf sein armes Pferd niedergehen, das auch tatsächlich nun sehr rasch lief – aber das Gespenst sprengte so schnell dahin wie er. So jagte er durch dick und dünn davon. Steine flogen auf, Funken stoben. Ichabods dünnes Gewand flatterte.
Sie kamen nun in das schläfrige Tal, und da bemerkte Ichabod, daß sich sein Sattel, oder vielmehr der Sattel seines Nachbarn Hans van Ripper, den ihm jener mit dem Pferd geborgt hatte, zu lockern begann. Er versuchte das Ding festzuhalten, aber es war unmöglich, denn das reitende Gespenst war ihm immer noch dicht auf den Fersen, und er hatte alle Mühe, seinen Klepper anzuspornen. So fiel der Sattel zur Erde.
Eine Lichtung im Wald erweckte bei Ichabod neue Hoffnung. Die Kirchenbrücke konnte nun nicht mehr fern sein. Er sah tatsächlich nun auch die Mauern der Kirche zwischen den Bäumen und erinnerte sich daran, daß Brom Bones geisterhafter Rivale an dieser Stelle verschwunden war. Wenn ich nur diese Brücke erreiche, dachte Ichabod, dann bin ich in Sicherheit. Aber gerade jetzt hörte er das schwarze Pferd hinter sich schnauben, er glaubte schon, dessen heißen Atem zu spüren. Noch ein Fußtritt in die Rippen seines Kleppers, und dieser sprang auf die dröhnenden Bretter der Brücke und erreichte das andere Ufer.
Von dort aus warf Ichabod einen Blick zurück, um zu sehen, ob sein Verfolger tatsächlich in einer Wolke von Feuer und Schwefel verschwinde. Dem war aber nicht so. Das Gespenst erhob sich vielmehr in den Steigbügeln und schleuderte seinen Kopf Ichabod nach.
Der Schädel traf mit einem ungeheuren Krach den Schulmeister an der Stirn, während der gespenstige Reiter wie ein Wirbelsturm davonpreschte. Am nächsten Morgen wurde das alte Pferd ohne Sattel vor der Tür seines Herrn gefunden. Von Ichabod fehlte jede Spur. Doch entdeckte man an der Brücke den Hut des Verschwundenen und dicht daneben einen zertrümmerten Kürbis.
Als Ichabod auch in den nächsten Tagen nicht wieder auftauchte, gaben die Vorfälle dieser Nacht zu allerlei Geschwätz Anlaß. Die alten Weiber behaupteten, er sei von dem galoppierenden Hessen entführt worden. Brom Bones, der kurze Zeit nach Verschwinden seines Nebenbuhlers die blühende Katharina im Triumph zum Altar führte, setzte immer eine schalkhafte Miene auf, wenn Ichabods Geschichte erzählt wurde, und wenn von dem Kürbis die Rede war, den man an der Brücke gefunden, brach er stets in schallendes Gelächter aus, und hieraus wollen einige schließen, daß er von der ganzen Angelegenheit mehr wußte, als er zu sagen für gut befand.
Die alten Weiber im Dorf, die in solchen Dingen immer die besten Richter sind, behaupten jedoch bis auf den heutigen Tag, daß Ichabod auf übernatürliche Weise verschwunden sei, und es ist eine Lieblingsgeschichte, die in der Gegend häufig erzählt wird. Die Brücke flößt mehr denn je abergläubische Furcht ein. Das verlassene Schulhaus zerfiel bald, und man sagt, der Geist des unglücklichen Schulmeisters gehe dort um. Bauernknechte, die an stillen Sommerabenden nach Hause schlendern, meinen oft, eine Stimme in der Ferne zu
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